Liebe auf Arabisch
die
an der amerikanischen Universität arbeitete und deren Chauffeur sich weigerte, sie zu fahren, weil er befürchtete, sein Dienstwagen würde niemanden beeindrucken. Und ich erinnere mich an die unangenehme Geschichte einer algerischen Diplomatin, der man ihre schlichte Kleidung zum Vorwurf machte, da offenbar von ihr erwartet wurde, in String und Strapsen Politik zu machen, sonst wäre sie nicht willkommen. Hier haben selbst Friseurinnen einen Chauffeur und die Möchtegern-Starlets tun es den Ministergattinnen gleich und lassen sich eine Visagistin nach Hause kommen, um im eigenen Badezimmer geschminkt und frisiert zu werden.
Kurz gesagt handelt es sich um eine Gesellschaft, in der jeder auf Gedeih und Verderb den Reichen markiert, während das Land immer an der Schwelle zum Krieg steht und von den Devisen zehrt, die seine Emigranten in die Heimat zurückschicken.
Dort lernte ich also Marcelle kennen, eine Christin, die mich zu einer Abendveranstaltung einlud, zu der auch ein Star erscheinen sollte, dessen Namen sie mir vorenthielt: eine Überraschung. Ich sah die Gäste auflaufen, unter denen auch einige TV-Sternchen waren, denen auf jeder Party die Türen offen stehen und denen es Spaß macht, die elegantesten Abende und Wohltätigkeitsgalas aufzumischen, und die Betten danach natürlich auch! Plötzlich fand ich mich an einem Tisch mit Haïfa Wahbi wieder – Überraschung! –, allerdings sah sie fürchterlich operiert aus, wie eine Plastikpuppe. Sofort dachte ich an Soha und ihre neidische Bewunderung für die libanesische Sängerin, so dass ich Rache für meine Freundin nahm und diese Königin der Arschbacken kaum eines Blickes würdigte.
An diesem Abend in Beirut flirtete ich in einem Hotelzimmer mit Blick auf die Küste ausgiebig mit Tony. Die Nacht senkte sich langsam über die umliegenden Berge und darüber tanzte der Mond unter Wolkenschleiern. Ich ließ mich von dem sanften und zuvorkommenden Libanesen liebkosen, ganz wie es sich meine arabischen Freundinnen erträumten. Als ich vor ihm alle Hüllen fallen ließ, leuchtete sein Gesicht auf, als stünde vor seinen Augen das achte Weltwunder:
»Mein Gott, du bist rasiert. Wie schön du bist! Ich würde sofort zum Islam konvertieren, wenn dann alle Frauen ein Ouss wie du hätten!«
Und so erfuhr ich, dass sich die christlichen Libanesinnen nicht unbedingt die Scham rasieren und kam in den Genuss der Dankbarkeit eines Nachfahren der Phönizier. Am nächsten Morgen ließ mir mein Liebhaber vor dem Abschied ein Kästchen zukommen, in das er einen wunderschönen rubinbesetzten Ring gesteckt hatte.
Ouss bei den Libanesen und den Ägyptern, Zabour bei den Tunesiern, Taboun bei den Marokkanern: Die Worte für das weibliche Geschlecht variieren von einem arabischen Land zum anderen und wir machten uns einen Spaß daraus, sie um die Wette aufzuzählen, wir kringelten uns vor Lachen, und wenn die Männer uns belauscht hätten, so hätten sie uns ganz sicher für verrückt erklärt.
Das literarische Arabisch bietet einige Dutzend Substantive für das Geschlecht, meine Freundinnen wussten sogar, dass der tunesische Dichter Nefzaoui einmal von einem »duftenden Garten« gesprochen hatte, ohne dass sie jemals etwas von ihm gelesen hatten. Ich ließ verlauten, und hierbei stützte ich mich auf mein an der Universität von Casa erlangtes Wissen, dass es sechsundsechzig
Ausdrücke für die Liebe gab. Wir zählten um die zehn auf: hubb, hawa, ichq … bevor uns Farah in der ihr eigenen Art unterbrach:
»Wir reden hier nicht von platonischer Liebe, nicht schummeln, Mädels!«
»Hört mal, wie sagt man eigentlich Orgasmus auf Arabisch? «, fragte Joumana.
»Die Franzosen sprechen auch vom ›kleinen Tod‹, wenn ich mich recht erinnere«, fügte ich hinzu.
»Ich kenne nur einen Tod, den großen, und der wird mich ins Grab bringen, ohne dass ich den kleinen kennengelernt habe.«
Salma beherrschte die Kunst, ihre tiefe Verzweiflung in schöne Worte zu verpacken.
Und so kam es, dass ich nach Viagra, magischen Amuletten und einer Reihe Aphrodisiaka von meiner nächsten Reise das arabische Wort für Orgasmus ins Land schmuggeln sollte.
Inzwischen mussten wir einsehen, dass die Liebespraktiken zwar überall identisch, die Worte dafür jedoch nicht in allen Sprachen gleichermaßen zur Verfügung standen. Orgasmus, kleiner Tod, siebter Himmel, all das, was in anderen Ländern zuhauf benannt wurde, fand man in unseren Wörterbüchern nicht. Umso mehr war es
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