Liebe auf Arabisch
gekommen. Es war unglaublich. Gott weiß, dass ich es gewöhnt bin, inkognito zu reisen. Aber etwas so Verbotenes, zwischen Himmel und Erde mit einem Fremden, in einer Maschine, die den Raum zerteilt und scheinbar nie ihr Ziel erreicht – ich habe alle Skrupel über Bord geworfen. So eine Sünde über den Wolken, man könnte meinen, dort gebe es keinen Gott.«
Der Chauffeur, der dieses letzte Wort aufschnappte, murmelte friedlich: »Gott ist groß!«
Man mag es vielleicht nicht glauben, doch kaum da sich Joumanas Schwiegermutter zurückgezogen hatte, spulte meine Cousine haargenau den gleichen Bericht noch einmal ohne jegliche Zurückhaltung vor meinen Freundinnen
ab, als wären sie alte Bekannte. Und je begieriger sie ihr zuhörten, desto mehr schmückte Nora aus, desto mehr Details wollten sie hören, bis Nora schließlich die Spermatropfen auf ihrem Handrücken beschrieb. Die Frauen lachten in einer Mischung aus Scham und Begeisterung, die sowohl ihre eigene Frustration als auch ihre ungeheure Neugier verriet.
Sie waren auf eine seltene Perle gestoßen: Meine Cousine übertraf mich um ein Vielfaches, sie sprudelte vor Fantasie und machte vor nichts halt, sie berichtete von ihren Abenteuern, ohne rot zu werden.
Auf die Frage, ob sie eines Tages heiraten wolle, antwortete Nora ohne zu zögern:
»Ja klar! Sobald ich einen reichen Araber vom Golf treffe.«
Plötzlich zeichnete sich auf den Gesichtern meiner Freundinnen ein mir wohlbekanntes, ironisches Lächeln ab, und zum ersten Mal begriff ich, dass eine ausländische Frau noch so sympathisch, beneidenswert und sogar wohlerzogen sein konnte, in ihren Augen blieb sie den Söhnen ihrer eigenen Sippen unwürdig.
Salma formulierte es folgendermaßen:
»Ich habe gehört, dass die maghrebinischen Mütter ihre Mädchen auf der Pilgerfahrt begleiten … aber am Ende ohne sie zurückkehren.«
»Und warum?«, fragte Nora ganz naiv.
»Weil sie sie hier arbeiten lassen …«
»Wenn sie mit ihrer Tochter eingereist sind, wird schon alleine die Polizei dafür sorgen, dass sie sie auch wieder mitnehmen.«
»Oh, weißt du«, sagte Joumana, »jeder Grenzbeamte ist bestechlich.«
Eine unangenehme Stille legte sich über die Gruppe.
Während ich arbeitete, fuhr Nora jeden Tag zu Joumana. Geblendet von so viel Prunk, verlief sie sich im Palast der Saudi, sie nahm den Männereingang, alberte mit den Bediensteten herum, ließ ganz aus Versehen ihr Kopftuch fallen, musterte die Männer, die Vitrinen, die Bäume und die Coladosen mit den gleichen, gierigen Augen. Draußen war sie verrückt nach Shopping und bei meiner Rückkehr musste ich auf der Stelle sämtliche Klamottenläden Dschiddas mit ihr abklappern, und natürlich die noblen Aushängeschilder im Nordwesten der Stadt, Tahlia, Prince Sultan, Kingroad und natürlich Rawda Street, wo sich das gesamte Königreich mit Luxusgütern aus der ganzen Welt eindeckte.
Schließlich machten wir uns mit Joumanas gesamter Familie auf die Reise nach Mekka. So wurde uns das Privileg zuteil, in einem prunkvollen Gebäude ganz in der Nähe der Kaaba zu residieren. Das heißt, wir konnten über unseren Landsmännern und -frauen thronen, die sich nebenan zu zehnt in ein Zimmer quetschten, wenn sie nicht sogar auf der Straße zelteten und sich von der Masse überrennen ließen.
Menschen aller Sprachen, Nationalitäten und Hautfarben drehten ihre Runden im gleichen weißen Gewand, dem Ihram, das aus zwei Tüchern bestand, die man um Hüfte und Schultern wickelte, und die alle Pilger als Zeichen des gemeinsamen Glaubens anlegten, egal, ob arm oder reich, krank oder gesund, glücklich oder unglücklich. Diese Demonstration einer Menschheit ohne Ungleichheit, die dem Ritual nach den Kern der Existenz bildet, musste selbst die Gläubigsten unter den Gläubigen bewegen.
Es war sicherlich dieser größtmöglichen Würde und
der unglaublichen Hingebung geschuldet, dass über weit unschönere Dinge hinweggesehen wurde, beispielsweise die von Müll übersäten Straßen und die bitteren Kämpfe um wenige Zentimeter mehr Platz in unendlicher Drängelei. Die Welt hätte noch im gleichen Moment untergehen können, die Pilger hätte es nicht gekümmert, sie waren im Haus Allahs, alles andere zählte nicht mehr. Sie konnten betteln, kriechen, sich überrennen lassen, einzig »Sein Antlitz« war wichtig, sie würden auf der Stelle dort sterben, auf Seinem Boden, das größte aller Geschenke. So viele alte Menschen kommen hierher, um zur
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