Liebe auf Arabisch
übermäßigen Freude ihrer Familie in der Heimat genau hier die letzte Ruhe zu finden! Die Seele nach Arabien zurückkehren lassen, das heißt, den kürzesten Weg ins Paradies zu nehmen.
Jedenfalls betrachtete ich meine Cousine, ihren geistesabwesenden Blick, ihren ernsten Ausdruck und ihre feuchten Augen.
»Ich verbiete dir, hier ins Gras zu beißen«, flüsterte ich ihr zu, während sie die Kaaba umrundete.
Sie antwortete nicht mit ihrem üblichen Lachen, das uns in jedem Fall böse Blicke eingebracht hätte. Ich fuhr fort mit meiner Warnung:
»Ich muss dich in meinem Land wissen, wo ich mich an dich erinnern kann. Ohne Grabstein kann man sich nicht wirklich erinnern.«
Mit feindseligem Gesichtsausdruck entfernte sie sich von mir.
Gott vergib mir, aber ich kam nicht drum herum, das Flirtverhalten der anwesenden Männer und Frauen zu bemerken, das, so meine Freundinnen, auf der Pilgerfahrt gang und gäbe war. Die Frauen, ganz in weiß, mit gesenktem Blick, der sich plötzlich auf einen hübschen Pakistani
erhob. Diese Gläubigen, deren Augen sich plötzlich auf eine unbedeckte Haarlocke richteten. Die Hände, die sich berührten und Nachrichten austauschten.
Zu meiner größten Verwunderung zeigte Nora selbst kein bisschen Interesse an diesen Vorgängen und war empört über meine Beobachtungen.
Die Frauen aus dem Maghreb gaben ein Vermögen für Schmuck, Stoffe und Galabias aller Arten aus. Dieses Phänomen hat sich laut meiner früheren Kollegen in den letzten Jahren übrigens noch verstärkt: Seit dem zweiten Golfkrieg und dem kometenhaften Aufstieg arabischer Ketten stehen Rom oder Istanbul nicht mehr auf Platz eins der beliebtesten Shopping-Städten der Maghrebinerinnen. Wenn Saudi-Arabien also gerade nicht ihren Glauben bekräftigt, leert es ihre Konten.
Noch einmal suchte ich an diesem Tag in der Menge nach Nora. Ich fand sie aufrecht stehend und wie versteinert in der Al-Haram al-Sharif Moschee.
Zurück bei Joumanas Familie weigerte sie sich, draußen ein paar Besorgungen zu machen.
Flirten mit Kopftuch
Die Entscheidung Frankreichs, das Kopftuch aus dem Schulbetrieb zu verbannen, sorgte für Diskussionen bei Joumana. Selbstverständlich verfolgten wir auf Al-Jazira, wie das Feuer gegen das Votum der Franzosen eröffnet wurde. Die Kommentare schwankten zwischen Entrüstung und Verständnis, wobei erstere überwog:
Soha: »Die Franzosen verstehen uns einfach nicht. Für sie steht das Kopftuch für die Unterwerfung der Frau.«
Farah: »Aber so ist es eben nicht! Sieh mich an, ohne meine Abaja könnte ich nicht das tun, was ich tue und mein Leben leben. Das Kopftuch hilft mir dabei, mich nicht zu unterwerfen.«
Joumana: »Aber wenn du die Wahl hättest, würdest du trotzdem lieber unverhüllt vor die Tür gehen, oder?«
Farah: »Wenn mir etwas anderes meine Anonymität garantieren würde schon.«
Joumana: »Die Freiheit, meine Liebe!«
Soha: »Vergesst nicht, dass das Kopftuch Teil unserer Identität ist.«
Joumana: »Deine Identität sind doch ganz andere Dinge.«
Salma: »Ich persönlich glaube, dass den Franzosen das Kopftuch völlig egal ist, sie haben einfach etwas gegen den Islam, das ist alles. Sie sind neidisch auf unseren Glauben, weil in ihrem Land nur noch Ungläubige rumlaufen.«
Soha: »Aber merkwürdig ist es doch trotzdem. Während die Muslimas hier nur einen Wunsch haben, nämlich das Hidschab abzulegen, gönnen sie sich dort den Luxus, dafür zu kämpfen. Das ist doch umgekehrte Welt. Offenbar gibt es sogar Frauen, die den Niqab dazu nutzen, um in den Malls in Dschidda zu klauen oder sogar, um sich zu prostituieren.«
Nora (die bisher geschwiegen hatte): »Es gibt auch solche, die Sünde und Überzeugung mischen. Das Kopftuch schützt sie nicht vor der Sünde, aber ihr Glaube ist ehrlich. Ich habe zum Beispiel eine Freundin, die heimlich mit einem Freund schläft. Jedes Mal, wenn sie in der Kiste sind, bettelt sie: ›Mach was du willst, zieh mir alles aus, nur nicht mein Kopftuch, ich bitte dich!‹ Stellt euch das mal vor, splitternackt aber mit Kopftuch!«
Dies waren, glaube ich, Noras letzte unanständige Worte vor ihrer plötzlichen und unheimlichen Verwandlung.
Soha bat uns, die Diskussionen um das Kopftuchverbot in Frankreich zu beenden, die ihr lächerlich erschienen, und uns wieder ihrem Fall zuzuwenden. Es sah so aus: Es hatte keinen Sinn mehr, alle Geschütze aufzufahren um ihrem Ehemann zu gefallen und ihm zärtliche Worte zu entlocken, das war
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