Liebe auf Arabisch
einen Mann in völliger Passivität und Wehrlosigkeit erwischte, wollte ich ihn wenigstens spüren lassen, in was für einer Lage sich viele Frauen befanden.
»Wenn man die Männer verhüllen und sie zur Stille verdammen würde, ginge es der Welt besser, denke ich.«
Ich spürte wie seine Geduld zu Ende ging. Sein Ärger zeigte sich in seinen Schritten, die plötzlich größer als meine waren.
»Was ist denn los? Fragst du dich etwa, was die Frauen tun würden, wenn sich die Männer verhüllen müssten? Ganz einfach. Sie würden die Dinge genauso gut regeln wie ihr, nur auf ehrliche Art. Achtung! Du musst genauso gehemmt laufen wie wir Frauen, okay? Sonst kannst du dich auf was gefasst machen.«
Ich wusste, dass ich genauso viel riskierte wie er, doch ich machte mir keine Sorgen. Sicherlich konnten wir für diese Missetat gesteinigt werden … Zumindest würde man uns auspeitschen, bevor man uns des Landes verwies …
Als Fouad schließlich ohne Schleier und hinter verschlossenen Türen im Salon saß, so dass die Bediensteten nicht dazwischenfunken konnten, wirkte er auf den ersten Blick wie ein Pascha und meine Freundinnen servierten ihm abwechselnd Kaffee und Kuchen. Er hielt den Blick gesenkt.
Anfangs traute sich niemand zu sprechen. Meine Freundinnen wirkten verkrampft und beschämt. Diese
Szene, die in jedem anderen Land der Welt an Normalität nicht zu übertreffen wäre, wirkte an diesem Ort wie der schlimmste Regelbruch überhaupt. Diese Frauen waren die Gegenwart von Vater, Bruder oder Ehemann gewohnt, diesen fremden Mann jedoch sahen sie an wie ein Wesen von einem anderen Stern. Man kann das ganze natürlich auch anders sehen. Einen Mann zu sehen und von ihm gesehen zu werden, war eine eindrucksvolle Erfahrung, die größte aller Überraschungen, und es brauchte so wenig, um die Saudierinnen glücklich zu machen und sich daran zu erfreuen.
Was mich eigentlich viel mehr überraschte, war Fouads Benehmen. Inmitten dieser Frauen verwandelte sich der Gockel der Lüfte, dieser waschechte Alaoui, intelligent und schön, Ehemann und erfahrener Schürzenjäger zugleich, in ein scheues kleines Tier. Seine Schüchternheit spiegelte sich in der überwältigten Stille meiner Freundinnen und dem Echo ihrer innersten Träume.
Dieser Zustand äußerster Überwältigung zog sich über die gesamte Zeit des Treffens und so beschränkte sich das Gespräch auf einige Komplimente.
Ich erinnerte mich noch lange an dieses Bild. Es hatte eine Art auf das Nötigste reduzierte Sprache gegeben wie in einem Stummfilm: kurze Atemstöße, große Augen, gehemmte Worte, die Faszination eines Urzustands, die Ruhe vor dem Sturm, das archaische Aufeinandertreffen von Mann und Frau.
Fouad und ich verließen Joumanas Haus in unseren Abajas ohne ein Wort zu wechseln. Wir sprachen nie mehr darüber. Und es blieb bei diesem einen Treffen.
Eine Woche später begleitete ich meine Cousine zum Flughafen, ihr Visum war abgelaufen. Meine Freundinnen hatten bereits genug von ihr und waren mehr als bereit
für den Abschied. Sie winkte ihnen mit offensichtlicher Trauer auf Wiedersehen, allerdings war nicht zu erkennen, ob sie traurig über die Abreise war oder ob es sich einfach um den sittsamen Gesichtsausdruck ihres Sinneswandels handelte.
Beim Check-in bestand sie darauf, neben ihrem Bruder Imad zu sitzen.
Zwischen Glauben und Vernunft
Zwei Wochen lang blieb Salma der Gruppe mit der Begründung fern, sie sei gerade sehr beschäftigt. Als sie schließlich wiederauftauchte, erzählte sie, dass sie einer Freundin hatte beistehen müssen. Doch am Ende hatte sie ein großes Drama nicht verhindern können und war noch immer äußerst niedergeschlagen.
Der Ehemann dieser Frau hatte ein indisches Dienstmädchen dazu gezwungen, mit ihm zu schlafen. Das junge Mädchen, das zu Beginn dieser Sache gerade einmal siebzehn war, hatte sich über Jahre seinen Forderungen unterworfen. Eines Tages hielt sie es nicht mehr aus und vertraute sich ihrer Herrin an. Hakima, das war der Name der Ehefrau, die die Sache eigentlich für sich behalten sollte, hatte sich unglücklicherweise ihrer Schwiegermutter anvertraut.
»Die ihrem Sohn hoffentlich ordentlich den Marsch geblasen hat«, bemerkte ich.
»Das hätte Hakima zunächst einmal selbst tun sollen«, meinte Soha.
»Das hätte sie, sicherlich. Doch als sie erst einmal geredet hatte, geriet ihr das Ruder aus der Hand. Anstatt den Vergewaltiger zu bestrafen, erklärte die Schwiegermutter Hakima den
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