Liebe auf dem Pulverfaß
Jasir lächelte freundlich, aber seine schwarzen Augen über der langen gebogenen Nase sprachen längst aus, was er dachte. »Bei unserem Kampf gibt es kein unantastbares Denkmal … auch du bist es nicht! Es gibt nur ein Ziel: Die Vernichtung der Juden! Und Moshe Yonatan ist ein Jude –«
»Er ist mein Gast!«
»Ist das hier dein Haus?«
»Alle Häuser der Fedajin sind mein Haus!«
»Die alte Generation!« Jasir schüttelte fast betrübt den Kopf. »Warum merkt ihr nicht, daß ihr euch selbst überlebt habt? Im alten Japan war man ehrlicher, da machte man Harakiri, wenn man sah, daß man überflüssig war –«
Moshe Yonatan saß noch immer am Fenster und blickte in den herrlichen Garten, als Dr. Murad zurückkam. Er drehte nur den Kopf zur Seite und winkte ab, als Murad zu einer Erklärung ansetzte.
»Sparen Sie sich alle Worte«, sagte er langsam. »Dieser Jasir hat es mir mit einem Knüppel in der Hand erklärt: Die Menschlichkeit hört da auf, wo die Staatsinteressen beginnen. Ich habe ihm zugestimmt … im Deutschland Hitlers habe ich es erlebt, in der Emigration in Mexiko, sogar im eigenen Land Israel. Die Staatsmacht hat immer recht, nie der einzelne Mensch.« Er wandte sich wieder zum Fenster und sprach zum Garten hinaus, als unterhalte er sich mit den Palmen und Oleanderbüschen. »Sie werden mich also wieder foltern …«
»Nein!« Dr. Murad hieb mit der Faust auf den Tisch.
»Sie werden es nicht verhindern können, Safar.«
»Niemand wird es wagen, einen Murad al Mullah anzugreifen. Jasir wirft mit großen Worten um sich, aber sie laufen an mir ab wie Wasser.«
»Warum wollen Sie mich schützen, Safar?« Yonatan erhob sich. Sein zerschlagener Körper konnte sich kaum noch bewegen. Je mehr die Zeit verrann, um so deutlicher versagten in ihm die Funktionen. Überall bildeten sich große Hämatome und engten die Bewegungsfreiheit ein. Die nächsten Schläge mußten zu Muskelrissen und Knochenbrüchen führen. »Ich bin für Ihre Landsleute der Inbegriff der Teufelei. Ich habe ein Zielgerät erfunden, das meine Landsleute hoch überlegen macht. An meiner Erfindung kann der gesamte großarabische Traum zerbrechen. Warum sollen sie also nicht versuchen, dieses Geheimnis aus mir herauszufoltern?«
»Geben Sie es freiwillig her, Moshe …«, sagte Murad stockend.
»So etwas tragen Sie mir an, Safar?«
»Bitte – ich habe Ihnen Schutz und Sicherheit zugesichert …«
»Ich weiß … aber jetzt sind Sie nicht mehr als ich, nicht wahr? Ein Gefangener, den man duldet … mich duldet man nicht. Das ist der einzige Unterschied. Aber ein lebenswichtiger Unterschied.« Yonatan blieb vor Murad stehen, sie sahen sich tief in die Augen und verstanden sich wieder wie in jener Nacht in den Ruinen des alten Nonnenklosters. »Safar, unsere Kinder lieben sich –«, sagte Moshe mit plötzlich unsicherer Stimme. »Mein einziger Sohn …«
»Meine Tochter, mein Augenlicht, Moshe …«
»Wir sollten ihnen wenigstens einen Vater erhalten, meinen Sie nicht auch, Safar? Ich habe keine Chance, dieses Haus wieder zu verlassen, aber Sie haben noch alle Türen offen. Gehen Sie, Safar, lassen Sie mich allein, fliegen Sie dahin, wo Sie sicher sind, und kümmern Sie sich um unsere Kinder. Wenn ich Sie um eine einzige gute Tat bitte, dann ist es die: Denken Sie nicht mehr an mich, denken Sie nur noch an Amina und meinen Kehat …«
»Bin ich ein Schuft, Moshe?« sagte Murad heiser vor Erregung. »Soll ich mich vor mir selbst ekeln?«
»Nur, weil Sie ein Vater sind, Safar?«
»Ich habe Ihnen ein Versprechen gegeben … ich habe Sie meinen Gast genannt … In meinem wie in Ihrem Land ist die Gastfreundschaft etwas Heiliges. Ich lasse mir meine Ehre nicht durch einen Jasir zerstören.«
»Dann wird er uns zerstören, Safar.«
»Das kann er … aber sie werden ihn dafür an ein Kamel binden und in der Wüste zu Tode schleifen.«
»Wer wird das? Ihre Freunde? Haben Sie Freunde? Hat ein Toter noch Freunde? Man wird nicht einmal fragen, wo man Sie verscharrt hat.« Yonatan legte die Hand auf Murads Schulter. »Die Sache der Palästinenser wird nicht mit der Seele ausgetragen, sondern nur mit dem Haß.«
Dr. Murad schüttelte Yonatans Hand ab und ging zum Fenster. Draußen sahen die Wachen zu ihm herüber … sie hatten bereits die Anweisung bekommen, Safar Murad nicht mehr aus den Augen zu lassen. Der Käfig war geschlossen … der gefangene Löwe konnte nur noch brüllen –
»Noch atmen wir –«, sagte Safar hart. »Noch
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