Liebe auf den ersten Klick
einer ziemlich belebten Straße, außerdem kennen mich sämtliche Nachbarn. Immerhin habe ich fünf Jahre dort gewohnt.
Ich checke mein Handy, ob eine SMS eingegangen ist.
»Ruf ihn doch an«, schlägt Lucy vor.
»Das geht nicht. Ich habe dir doch erklärt, dass ich warten muss, bis er sich bei mir meldet.«
»Du meinst, du wolltest den Kerl heiraten, und jetzt kannst du ihn noch nicht mal anrufen?«
»Wie soll ich ihn anrufen, wenn ich diejenige war, die ausgezogen ist? Was soll ich deiner Meinung nach sagen? ›Hi, vermisst du mich schon? Soll ich zurückkommen? Hast du vielleicht jetzt Lust, mich zu heiraten?‹, oder was?«
»Und was, wenn er sich nicht meldet?«
»Das wird er schon noch. Es kann nicht mehr lange dauern. Er hatte eine Woche Zeit, um das Ganze zu verdauen, die zweite, um seine Freiheit zu genießen, ins Fitness-Studio zu gehen, sich Rugbyspiele und diesen ganzen Blödsinn anzusehen, und noch eine Woche, um zu merken, dass er ohne mich aufgeschmissen ist. Er meldet sich jeden Moment, ganz klar.« Ich sehe sie bestimmt an. Es ist extrem wichtig, dass sie meine Theorie kapiert.
»Okay.« Lucy zuckt mit den Schultern und trinkt aus. Ich habe mein Glas schon vor zehn Minuten geleert. Plötzlich habe ich Lust auf eine Zigarette – die ganzen Berichte von den verlassenen Frauen gehen mir ziemlich an die Nieren. Ein Glück, dass ich nicht zu ihnen gehöre.
Lucy steht auf und nimmt die Gläser. »Willst du noch was?«, fragt sie, bevor sie mit elegantem Schwung in Richtung Küche entschwindet. Mein Blick schweift über die hochglanzlackierten Oberflächen und den makellosen weißen Teppich. Irgendwo habe ich mal gelesen, die Gemütsverfassung einer Frau stehe in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Zustand ihrer Wohnung. Wenn das wirklich stimmt, braucht man sich um Lucy keine Sorgen zu machen. Sie war schon immer mit sich im Reinen. An der Uni hat sie sogar ihr Wohnheimzimmer dekoriert – Ton in Ton, mit Taftvorhängen und Duftkerzen und einem nagelneuen Fernseher. Ich dagegen hatte mir einen neuen Waschbeutel zugelegt und hielt mich schon für unglaublich kultiviert. Ich versank vor Scham fast im Boden, als sie bei mir anklopfte, sich höflich vorstellte und in ihrer weltgewandten, perfekten Art fragte: »Und? Lust auf einen Gin Tonic?« Nichts schien sie je aus der Bahn zu werfen. Fortan nannte ich sie nur noch »Posh Lucy«, womit sie sich wie selbstverständlich beim Erstsemesterball vorstellte, als wäre es eine Art Adelstitel. »Hi, ich bin Posh Lucy, und das ist meine kleine Freundin Vivienne.«
Alles in allem hat sie es weit gebracht, und sie verdient es auch. Lucy arbeitet wahnsinnig hart. Zumindest behauptet sie das. Ich muss an meine eigene Wohnung denken. Nach wie vor sind nicht alle Kartons ausgepackt, trotzdem steht jetzt schon fest, dass das Ergebnis deprimierend sein wird. Wieso? Weil es ein Single-Apartment ist. Nichts gegen Singles, echt nicht, aber ich gehöre definitiv nicht dazu. Ich habe immer noch einen Verlobten, auch wenn ich aus unserer gemeinsamen Wohnung ausgezogen sein mag. Ich bin immer noch »in einer Beziehung«. Ich massiere meinen Ringfinger. Er fühlt sich so nackt und kahl an ohne den Verlobungsring.
O Gott, ich fühle mich so mies.
Ein ganzer Monat ohne Rob. Okay, wir machen bloß eine Pause, aber mir war nicht klar, dass es so sein würde, so komplett von ihm abgeschnitten … als wäre er tot.
Ich lege meine Füße neben ein paar säuberlich gestapelte Hochglanzmagazine auf den Couchtisch, als mein Blick auf die Titelschönheit mit den karamellfarbenen Lippen und dem wehenden Haar fällt. »Manche Frauen haben einfach alles« prangt quer über ihrer Brust. Ich überfliege den Artikel: Die Frau, die alles hat, posiert dort in Highheels und perfekter Frisur … Auf dem nächsten Foto sitzt sie mit autoritär gezücktem Stift in ihrem Büro. Auf dem übernächsten lümmelt sie mit einem Tablett voller Croissants in einem Seidenpyjama auf dem Bett, dabei hat diese Frau unter Garantie seit Anfang der Achtziger in kein Croissant mehr gebissen. Auf dem letzten Foto knuddelt sie an ihrem Privatstrand ihre drei hinreißenden Kinder. (Moment mal, eines von denen schielt doch?)
Diese Frau hat tatsächlich alles – ein wunderschönes Haus, einen Job als Vorstandsvorsitzende eines Topunternehmens, eine glückliche Ehe, und trotz allem nimmt sie sich noch die Zeit, um Kuchen für ihre Lieben zu backen. Sie gehört nicht zu denen, die herumsitzen und darauf warten,
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