Liebe auf den ersten Klick
ich mich um den Bericht kümmere. Ich tippe die Zahlen ein, worauf die Tabelle die Gesamtsumme errechnet. Mein Blick wandert zu Robs Foto. Vielleicht wird es ja doch noch ein guter Tag.
Wird es aber nicht. Christie schrumpft sichtlich unter Miss Bojes durchdringendem Blick. Ich habe keine Ahnung, wie ich ihr helfen soll. Wenn ich Christie rausboxe, steht sie inkompetent da, und wenn ich es nicht tue, bin ich die Dumme. Ich mustere Miss Boje und versuche, ihre Gedanken zu lesen. Was für ein Leben sie führen mag? Miss Boje ist mit Abstand die unattraktivste Frau, die ich kenne. Es ist fast so, als würde sie sich mit Absicht so hässlich machen. Eigentlich müsste sie mit einem Schild »Es lebe der Damenbart. Jeder hat ein Recht auf seine Schönheitsfehler!« um den Hals herumlaufen. Auf ihrer Wange prangen drei rosinengroße, wie der Oriongürtel angeordnete Leberflecke, die jedoch im Vergleich zu dem runden haarigen Muttermal zwischen den Falten ihres Doppelkinns kaum auffallen. Jedes Mal muss ich wegschauen, wenn es wie eine kleine Boje auf der wogenden Kinnpartie auftaucht. Ihre wässrigblauen Augen inspizieren das Muster vor ihr. Sie be ginnt, es auszupacken. Christie wirft mir einen pani schen Blick zu, doch ich bemühe mich, ganz ruhig zu bleiben. Schnuti sagt kein Wort, sondern sitzt da, die rot angemalten Lippen geschürzt wie ein Hundepopo, und macht sich Notizen, während Miss Boje einen winzigen essbaren Tanga aus dem Karton zieht und ihn an ihren Fingern baumeln lässt, ehe sie ein Stück abbeißt und nachdenklich kaut.
»Ich glaube nicht, dass sie besonders lecker schmecken sollen«, erklärt Christie kleinlaut.
Miss Boje mampft gemächlich weiter und schluckt, dann dreht sie die Schachtel um und liest die Zutatenliste. »Unglaublich. Woraus um alles in der Welt ist dieses Zeug gemacht?«
»Äh, ich glaube, aus Reispapier und Aromastoffen«, antwortet Christie und tut so, als müsse sie ihre Unterlagen konsultieren.
Schnuti, die ihre Chance sieht, endlich aufzutrumpfen, hält ihre Schachtel hoch und dreht sie angewidert hin und her. »Essbare Unterwäsche, Christine? Essbare Unterwäsche ? Könnten Sie uns bitte erklären, wie Sie auf die Idee kommen, dass so etwas zu Barnes & Worth passen könnte?« Sie lächelt Miss Boje verschwörerisch zu.
»Na ja, ich …«
»Ich meine, haben Sie auch nur den Hauch einer Ahnung von unserer Kundenstruktur? Sind Sie mal durch den Laden gegangen und haben die Sorte Kunden gesehen, die solche Artikel in unserer Geschenkabteilung kaufen?«
Christie starrt auf die Tischplatte und verlagert unbehaglich das Gewicht. Ich mache mich bereit, aufzustehen und alles zu erklären, aber ich habe nicht die leiseste Ahnung, weshalb sie ausgerechnet diese blöden essbaren Tangas aus dem Musterschrank nehmen musste. Ich weiß ganz sicher, dass wir eine Standuhr und eine hüb sche Thermosflasche in Mondform hatten. Wieso konnte sie nicht die nehmen? Wieder einmal nehme ich mir vor, alles zu überprüfen, was sie tut. Ich spüre den leichten Schweißfilm auf dem Rücken. Was für eine Scheiße! Dabei wollte ich doch für Rob unbedingt gut aussehen. Am Montag werden alle anderen Muster geliefert. Ich wäre perfekt vorbereitet gewesen. Heute hätte ein ruhiger Tag werden sollen. Ich hätte mich auf mein Date konzentrieren können, und jetzt bin ich völlig verschwitzt und gestresst, und Christie fährt gerade die Präsentation an die Wand. Schon zum zweiten Mal.
Gerade als ich meinen Stuhl zurückschieben will, fängt sie sich. »Weil es witzig ist. Mal was ganz anderes zu Weihnachten. Die Dinger könnten bei so manchem Kunden ein bisschen Leben in die Bude bringen.«
Miss Boje mustert Christie mit neu erwachtem Interesse und bricht in – erstaunlich mädchenhaftes – Gelächter aus. Beim Anblick von Schnutis verkniffener Miene lacht sie noch lauter. »Das Mädchen hat recht. Ich bin begeistert von den Dingern. Gibt’s die auch für Männer?« Neckisch streckt sie die Zunge seitlich heraus und zwinkert mir zu. Ich lächle, obwohl mir bei der Vorstellung, wie Miss Boje sich an der Unterwäsche eines Mannes zu schaffen macht, ganz anders wird. »Ich will noch mehr Muster, meine Damen, und zwar tout de suite . Ich will Weihnachtsfarben, ein paar freche Sprüche und Höschen für beide Geschlechter. Außer dem brauchen wir eine pfiffige Verpackung und müssen herausfinden, woraus sie hergestellt sind. Wurden die Dinger auf gesundheitliche Schäden getestet?«
Christie schnappt
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