Liebe auf den ersten Klick
steckenden Füßen in strammem Tempo neben mir her.
»Sie kennen Michael also näher, ja?« Ich kann mir die Frage nicht verkneifen.
»Meinen Sie im biblischen Sinne?« Sie lässt ihr perlendes Lachen hören. »Ja, rein zufällig kenne ich Michael, und zwar sehr gut. Und Sie?«
»Flüchtig.« Ich glaube, mir wird übel.
»Tja, der Bursche hat etwas für sich.« Wieder lacht sie, während das verstörende Bild vor meinen Augen aufflammt, wie sich die beiden wie ausgelassene Hundewelpen in weißer Satinbettwäsche wälzen.
Trotz Klimaanlage hängt der muffige Geruch nach Schweiß im Konferenzraum. Auf einem einsamen Wägelchen stehen Behälter mit Instantkaffee, heißem Wasser für Tee und ein Teller mit klebrigen Plunderteilchen. Miss Boje schenkt sich einen schwarzen Kaffee ein, pflanzt sich mit einem Gebäckstück im Mund ans Kopfende des ovalen Tisches, schlägt einen Aktenordner auf und wirft einen Stapel Blätter mit den Tagesordnungspunkten auf die Tischplatte.
»Seien Sie ein Schatz und verteilen Sie die hier, ja?« Ich lege ein Blatt vor jeden Platz und überfliege dabei die Punkte. »Einsparungen« steht gleich als Erstes auf der Tagesordnung. Das heißt, es gilt, sich heute von seiner besten Seite zu präsentieren. Christie und Schnuti treffen kurz nacheinander ein. Schnuti, die ein schräges, mit winzigen gelben Steigbügeln bedrucktes Wickelkleid, Söckchen mit Herzchenmuster und grüne Wildledersandalen dazu trägt, nickt knapp. Christies Look – Satin-Haremshosen mit einer schwarzen Weste kombiniert – sieht dafür ultracool aus.
Sie setzt sich, nach Sommerblumen duftend, neben mich. »Alles klar?«, flüstert sie.
Ich deute auf den obersten Tagesordnungspunkt, worauf sie das Gesicht verzieht.
»Wir wurden von der Geschäftsleitung gebeten, ein Konzept für mögliche Einsparungen auszuarbeiten. Im Zuge der ›Umstrukturierung‹ müssen wir dringend die Kosten reduzieren. Das heißt, Marktanalysen, Taxifahrten oder Mittagessen mit Lieferanten sind ab sofort gestrichen. Wir lassen das Sortiment um ein Drittel schrumpfen und ein Hauptaugenmerk auf die PR legen.« Boje lässt ihren Blick durch die Runde schweifen.
»Viv, ich möchte, dass Sie sich um die Presse kümmern. In sämtlichen Sonntagsbeilagen oder zumindest in drei Hochglanzmagazinen soll etwas aus dem Sortiment präsentiert werden.«
»Wie sieht es mit Werbegeschenken aus?«, frage ich und registriere beklommen, dass Schnuti sich eine Notiz macht. »Ich meine ja nur, dass Geschenke von uns erwartet werden.«
Miss Boje nickt. »Tun Sie einfach, was nötig ist, um die Platzierung zu kriegen.«
Schnuti unterstreicht etwas, legt demonstrativ ihren Stift hin und beginnt, das Sortiment Produkt für Produkt durchzugehen. »Die essbaren Dessous nehmen wir … aber nicht mit den Slogans, die Sie beide uns geliefert haben. Viv, selbst wenn es Christies Projekt ist, sollten Sie ein Auge darauf haben.«
Ich nicke verlegen und schiele zu Christie, die jedoch die Demütigung nicht im Mindesten zu beeindrucken scheint. Ungerührt notiert sie »Selbstbräuner« und »Nagellackentferner« auf einem Einkaufszettel.
»Die Kerzen mit dem Skandinavien-Muster fallen raus«, fährt Schnuti fort, worauf Christie abrupt hochfährt und etwas auf meinen Block kritzelt.
»Habe 10000 Stück geordert!«, notiert sie und malt ein bekümmertes Smiley daneben.
»Hast du die Gefängnis-Sache gecheckt?«, schreibe ich daneben und spüre, wie meine Brust eng wird.
»Vergessen«, schreibt sie und fabriziert noch ein trauriges Smiley.
Mist, Mist, Mist. Ich spüre, wie mein Nacken zu jucken beginnt. »Stornieren«, kritzle ich.
»Geht nicht. Hab schon unterschrieben!«
Ich hole tief Luft und sehe mich im Raum um. Als ich Schnutis Gesicht sehe, muss ich sofort wieder an die mündliche Abmahnung denken. Plötzlich überkommt mich der Drang, in schallendes Gelächter auszubrechen. Soll ich rundheraus zugeben, dass wir Mist gebaut haben und in dieser Minute zehntausend unethisch hergestellte Kerzen auf dem Weg ins Zentrallager sind? Los, sag etwas .
»Äh, noch mal zu den Kerzen …« Schnuti mustert mich über den Rand ihrer Brille hinweg. »Ich war sicher, sie bleiben im Programm, deshalb sind sie schon bestellt, soweit ich weiß.« Ich lächle.
»Dann stornieren Sie die Bestellung eben«, schnauzt sie mich an.
»Na ja, das könnten wir natürlich machen, aber bei House of Fraser haben sie ein tolles Angebot für Kerzen, deshalb sollten wir wohl auch welche im
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