Liebe auf den letzten Blick
Träume! Mögen sie in Erfüllung gehen.«
»Hmm«, grummle ich unentschlossen und nehme nur einen kleinen Schluck. Meine Träume eignen sich eher zum Verdrängen als zum Begießen.
Amelie dagegen leert ihr Glas in einem Zug. »Also, wie findest du meine Pläne?«, fragt sie.
»Wenn es was einbringt …«, antworte ich pragmatisch.
»Genau. Mein Traum wird wahr, und ganz nebenbei werde ich noch reich. Cash macht fesch!« Sie freut sich, als habe sie soeben eine neue mathematische Wunderformel entdeckt.
Typisch Amelie. Bloß nichts ernst nehmen, könnte ja auf die Stimmung schlagen. Manchmal wünsche ich mir, so unbeschwert wie sie durchs Leben zu tänzeln. Wenn ihr danach ist, fängt sie einfach ein neues Leben an.
Nachdenklich schlürfe ich meinen Portwein. Mein Wunschtraum war immer eine eigene Familie. Mehr oder weniger hat sich dieser Traum ja mit unserer WG erfüllt, vor allem, seit Moritz eingezogen ist, ähnelt die Zusammensetzung einer Familie sehr. Die allerdings droht auseinanderzubrechen, wenn Amelie ihre Auszugspläne nicht aufgibt.
»Worüber grübelst du nach?«, unterbricht Amelie meine Gedanken.
»Och … Nichts weiter«, behaupte ich. »Ich hab mich nur gefragt, ob ich jetzt weiterbügeln soll oder lieber heute Abend vor dem Fernseher.« Ich greife nach dem Programmheft auf dem Beistelltisch. »Mal sehen, ob es eine nette Komödie gibt. Dabei bügelt es sich besonders gut.«
»Vergiss den Haushalt, Mathilde, begleite mich lieber zum Shoppen«, fordert sie mich auf und wedelt einmal mehr mit den Geldscheinen. »Getreu der alten Weisheit: Das Geld muss in Umlauf gebracht werden, dann kommt es auch bald wieder zurück.«
»Aber Moritz bringt die Kaffeemaschine doch heute Nachmittag«, erinnere ich sie.
»Weiß ich«, entgegnet sie. »Ich rede ja auch von Klamotten. Für meinen Traumjob benötige ich natürlich die entsprechende Ausstattung. Etwas richtig Ausgeflipptes. Das hier …«, sie zupft an ihrem Kleid, »ist noch ein Relikt aus der guten alten Hippiezeit und passt nicht mehr richtig.«
Ich kann mir das Lachen nicht verkneifen. »Ach, und wo bekommt man flippige Wahrsager-Outfits?«
»Na, in Secondhandläden«, klärt sie mich auf, während sie ihre Barschaft zusammenrollt, in die Bärchentüte steckt und dann in den Beutel packt. »Glockenbachviertel, Haidhausen oder Schwabing. Also, kommst du mit?«
»Na ja«, antworte ich ausweichend. Eigentlich habe ich wenig Lust, mit der überdrehten Amelie durch muffige Secondhandshops zu ziehen. Während ich noch überlege, wie ich mich elegant aus der Affäre ziehen kann, klingelt es an der Tür.
Amelie springt auf. »Gustl? Vielleicht hat er seinen Schlüssel verloren«, mutmaßt sie und saust mit wehenden Röcken nach draußen. »Der wird staunen.«
Aus dem Flur höre ich sie dann kichern. »Hallooo.« Und nach einer kleinen Pause: »Sooo eine Überraschung! Komm doch rein.«
Sekunden später ist sie zurück – in Begleitung von Fred. Er trägt eine übergroße Papiertüte und wirkt auf den ersten Blick ziemlich unverletzt, aber wieder einmal unverschämt attraktiv in seinem schwarzen Outfit.
»Einen wunderschönen guten Tag, Mathilde«, begrüßt er mich lächelnd. »Die versprochene Kaffeemaschine.«
»Aber ich dachte … du …«, stammle ich, weil er mich schon wieder ungeschminkt im nachlässigen Sommerhosen-T-Shirt-Hausfrauenlook antrifft und seine Gegenwart mich völlig durcheinanderbringt. »Ich meine, Moritz wollte …«
»Ach, Kinder!«, erwidert er und verdreht die Augen. »Vorhin hat er sich bei mir gemeldet und gejammert, dass er total im Stress wäre. Na ja, ich kenne meinen Sohn gut genug, um zu wissen, dass er wirklich hart arbeitet. Aber bevor ihr mich als Sprücheklopfer abstempelt …«
Fred geht zum Couchtisch und stellt die Tüte ab. Er humpelt unverkennbar.
»Wie geht es deinem Fuß?«, frage ich, erleichtert, ein unverfängliches Gesprächsthema gefunden zu haben.
»Alles halb so wild«, winkt er ab. »Und wie geht es dir?« Er vergräbt die Hände in den Taschen seiner weitgeschnittenen schwarzen Freizeithose und wendet sich gleich darauf mit verwundertem Blick Amelie zu. »Habe ich irgendetwas verpasst?«, fragt er.
»Sie wechselt ins Hellseherfach«, erkläre ich und sehe ihn herausfordernd an. »Vielleicht interessiert es dich, welch glorreiche Zukunft dir beschieden ist? Amelie führt dir ihre Künste sicher gern vor.«
»Au ja«, steigt er begeistert darauf ein. »Wir weihen die Maschine ein, und
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