Liebe auf den letzten Blick
überlegt sie noch, ob ihr der Überraschungsbesuch gefällt. Doch dann überzieht ein freundliches Strahlen ihr Gesicht. Sie klopft sich das Mehl vom schwarzen Wahrsagerinnengewand, breitet erneut die Arme aus und eilt auf Dana zu. Noch ehe sich das Kind wehren kann, hat Amelie sie von der Bank hochgezogen und an ihre Brust gedrückt. »Herzlich willkommen, liebe Dana! Ich freue mich sehr, dich endlich kennenzulernen. Und da ich sowieso bei Gustl schlafe, kannst du es dir in meinem Zimmer gemütlich machen – solange du willst«, verkündet sie feierlich.
Alle Achtung! In einem Atemzug hat sie Dana ihre Sympathie bekundet und gleichzeitig ihr Verhältnis zu Gustl klargestellt. Das muss ihr erst einmal einer nachmachen. Möglicherweise hat der esoterische Glückskeks doch Talent zur Lebensberaterin.
Sie stemmt die Hände in die Hüften und lacht erwartungsvoll in die Runde. »Danas Ankunft verlangt nach einer kleinen Willkommensparty!«
Party! Wieso bin ich nicht selbst darauf gekommen? Moritz äußert sich mit einem »Cool«, die restlichen Anwesenden wirken unentschlossen.
Doch so schnell gibt Amelie nicht auf. »Fred, du bleibst doch?«, fragt sie sacharinsüß.
Das ist ja wohl die Höhe! Selbst in Gustls Anwesenheit flirtet sie mit ihm.
Doch Fred, der mittlerweile die Einkäufe neben der Eckbank abgestellt hat, hebt bedauernd die Hände, wobei er nicht gerade tieftraurig wirkt. »Tut mir leid, ich muss wirklich los«, sagt er und fischt eine glänzende weiße Tüte aus den anderen heraus, »und das noch zu Sophie bringen.«
Das macht mich neugierig. »Wie nett von dir, Sophie einGeschenk mitzubringen«, sage ich mit einem Blick auf die schwarzbeschriftete Lacktüte.
»Nein, nein, das ist für Luis. Die ersten Schnürschuhe. Und ich habe versprochen, ihm das Schleifebinden beizubringen«, antwortet Fred. »Sophie ist nämlich mit den Kindern zu einer Hochzeit eingeladen, und ich finde, dass jemand Kindern ab einem gewissen Alter beibringen muss, ihre Schuhe selbst zuzubinden, damit sie nicht immer auf diese unsäglichen Klettverschlüsse angewiesen sind. Also bis demnächst«, sagt er und wünscht uns noch einen schönen Abend.
Vor Rührung muss ich schlucken, dieser Mann schafft mich. Eben war ich noch stinksauer auf ihn, und nun zeigt er wieder seine sensiblen Seiten. Es fällt mir schwer, ihn jetzt noch zu verteufeln. Im Gegenteil, wieder einmal wünsche ich mir, jünger zu sein und mit Fred eine Familie gründen zu können. Alles auf Anfang. Aber das sollte man sich mit sechzig endgültig abschminken.
Das hektische Geklapper der Schranktüren reißt mich aus meinen Gedanken. »Sagglzement … das war das letzte Mehl …«, grummelt Gustl. Geknickt wendet er sich zu uns. »Dann wird’s heut nichts mit frischen Nudeln.«
Amelie senkt schuldbewusst den Kopf, hebt ihn aber gleich wieder und lächelt Gustl an. »Entschuldige, ich hab mich doch so gefreut, dich wiederzusehen. Aber mit einer deiner köstlichen Saucen, schmeckt uns auch gekaufte Pasta.«
»Logisch, und davon ist genügend da«, versichere ich.
Moritz setzt noch ein »Ganz bestimmt« obendrauf. Aber erst, als Dana bekundet, auch darauf Appetit zu haben, verschwinden die Falten auf Gustls Stirn.
»Na gut, dann will ich mal eine lecker Sauce zaubern«, verkündet er, reibt sich die Hände und schaut uns fragend an. »Möchte jemand Salat waschen?«
Dana meldet sich, worauf Moritz ebenfalls seine Hilfe anbietet.
»Du bleibst schön sitzen«, bedeutet Gustl seiner Tochter und nickt Moritz zu. »An der Arbeitsplatte ist eh nur Platz für zwei Leute.«
»Wer interessiert sich für meine Einkäufe?«, fragt Amelie in die Runde und zieht, ohne eine Antwort abzuwarten, ein zusammengefaltetes Kleidungsstück aus der größten Tüte. Ebenfalls in Schwarz.
Erwartungsvoll blicke ich sie an. »Ich, unbedingt!«
Kichernd lässt sie das Stoffpaket auseinanderfallen, hält es sich vor den Körper und dreht sich dann einmal im Kreis.
»Ein schwarzes Dirndl?«, frage ich erstaunt.
»Todschick, oder?«
»Kommt drauf an«, antworte ich ausweichend. »Auf einem bayrischen …« Ich stocke, denn ich wollte gerade Begräbnis sagen, aber das käme bei Gustl vielleicht nicht gut an. »Bei diversen Ereignissen wärst du damit top gestylt. Aber unter ›flippig‹ stelle ich mir etwas anderes vor. Wolltest du nicht etwas Buntes?«
»Ja, schon, aber dann meinte Fred, ich solle mich in Schwarz kleiden. Das sei eine mystische Farbe und somit perfekt für die
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