Liebe auf den zweiten Blick (German Edition)
sich dort nicht so allein fühlt.«
Er wandte sich zu der Hausangestellten. »Möchtest du mit meiner Tochter in den neuen Haushalt umziehen?«
»Ja gern, Mylord. Es wäre mir eine Ehre«, sagte Joan sichtlich erleichtert.
John Crambray nickte. »Dann fang schon mal an zu packen. Bis zur Hochzeit sind es nur noch zwei Tage.«
»Danke, Mylord.« Sie machte einen artigen Knicks. »Brauchen Sie mich noch, Mylady?«, fragte sie Clarissa.
»Nein, nein, ich komm schon zurecht. Ich nehm mir in der Küche einen Tee und eine Scheibe Toast, während ich auf Lady Mowbray warte.« Clarissa tätschelte ihren Arm. »Kümmere du dich in der Zwischenzeit schon mal um unser Gepäck.«
»Ja, Mylady. Tausend Dank, Mylady.«
Clarissa sah der schattenhaften Gestalt hinterher, die eilig aus dem Zimmer lief, dann lenkte sie ihr Augenmerk auf ihren Vater und Lydia. Ihre Stiefmutter schwieg beharrlich, und Clarissa wurde das Gefühl nicht los, dass die Dame vor Wut hätte platzen können.
»Komm Clary, leiste mir im Frühstücksraum ein bisschen Gesellschaft«, sagte ihr Vater ruhig. »Du kannst mehr vertragen als einen Tee und ein Scheibchen Toast, du hast heute anstrengende Anproben vor dir.«
Clarissa nickte und gesellte sich zu ihm. Das mit der Kündigung ging ihr indes nicht aus dem Kopf. Sie hatte den schweren Verdacht, dass Lydia die kleine Zofe bloß feuern wollte, um ihrer ungeliebten Stieftochter eins auszuwischen. Eigentlich schade, dass sie und Lydia sich nicht verstanden. Anscheinend hatte Lydia sie von Anfang an nicht recht leiden können, und diese Abneigung hatte sich mit den Jahren verstärkt. Clarissa hatte keine Ahnung wieso, und was man dagegen machen könnte.
Sie verdrückte drei Würstchen, zwei Eier, ein Schüsselchen Porridge, Toast und trank drei Tassen Tee, bevor Lady Mowbray eintraf. Ihr Vater saß mit ihr am Frühstückstisch, und sie plauderten über die neuesten Ereignisse, das Wetter, die Hochzeit und alles Mögliche. Als Lady Mowbray angekündigt wurde, sprang Clarissa auf und drückte ihrem Vater einen dicken Kuss auf die Wange. Dann lief sie ins Foyer, um Adrians Mutter zu begrüßen.
Im Flur begegnete sie Lydia. Da sie fürchtete, dass ihre Stiefmutter immer noch ungenießbar war, hielt sie sich nicht damit auf, ihr einen schönen Tag zu wünschen, sondern schnappte sich ihre zukünftige Schwiegermutter und scheuchte sie aus dem Haus.
»Ach du liebe Güte«, seufzte Lady Mowbray, als sie in ihrer Kutsche saßen. »Lady Crambray machte ja ein Gesicht, als wäre sie mit dem falschen Fuß aufgestanden. Ist sie kein Morgenmensch?«
Clarissa lag es auf der Zunge, mit einem schnellen »Nein« zu antworten, sie entschied sich jedoch für die Wahrheit und erzählte Lady Mowbray die Geschichte mit der zerbrochenen Brille.
Lady Mowbray versuchte sie zu trösten. »Letztlich trifft niemanden eine Schuld. So etwas kann immer mal passieren«, räumte sie ein und setzte hinzu: »Adrian ist jetzt bestimmt erleichtert.«
Zwischen Clarissas Brauen schob sich eine steile Falte. Um sich ihre Besorgnis nicht anmerken zu lassen, spähte sie hastig aus dem Fenster. Was meinte Lady Mowbray mit diesem rätselhaften Kommentar? Dass Adrian Brillen auf den Tod nicht ausstehen konnte? Fand er es etwa so schlimm, dass sie beschlossen hatte, in Zukunft mit Brille herumzulaufen? Eigentlich hatte sie ihre künftige Schwiegermutter bitten wollen, in der Stadt kurz bei einem Optiker anzuhalten, aber jetzt überlegte sie hin und her, ob die Idee wirklich so gut war.
Mit den Gedanken bei einer neuen Brille, stand sie vor der Schneiderin und ließ geduldig die Anprobe über sich ergehen. Alle beteuerten, ihr Brautkleid sei ein Traum in Weiß. Als Clarissa fertig war, half die Näherin ihr aus der duftigen Kreation. Dann widmete sie sich Adrians Mutter, die sich ebenfalls ein elegantes Kleid für die Hochzeit anfertigen ließ. Um sich abzulenken, lief Clarissa währenddessen in den Verkaufsraum.
»Was darf ich Ihnen bringen, Mylady? Einen Tee vielleicht, während Sie warten?«
Clarissa erkannte das Lehrmädchen an der Stimme und blieb stehen. »Ist hier in der Nähe vielleicht ein Optikergeschäft?«
»Aber sicher. Nur zwei Läden weiter«, erwiderte das Mädchen freundlich und hilfsbereit.
»Danke.« Clarissa linste in das Hinterzimmer der Schneiderei. Die Schneiderin plauderte angeregt mit Lady Mowbray, während sie mit der Anprobe beschäftigt war. Das konnte noch dauern. Und als das Lehrmädchen kurz verschwand, zögerte
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