Liebe auf den zweiten Blick (German Edition)
einen Ast geprallt ist?«
»Sie ist ohne ihre Brille fast blind. Demnach hat sie gar nicht richtig sehen können, wogegen sie geprallt ist«, betonte Adrian. Er setzte hinzu: »Wenn sie überhaupt gegen irgendetwas geprallt ist. Soweit ich gesehen habe, hing da kein Ast so tief, dass er sie auch nur gestreift haben könnte. Und selbst wenn, fällt es mir schwer zu glauben, dass sie noch ein ganzes Stück weitergestolpert ist, bis sie in das Bassin stürzte. Immerhin lag da einiges an Entfernung dazwischen.«
»Ich würde mir den Springbrunnen und das umliegende Gelände gern einmal genauer anschauen«, erklärte Hadley, worauf Adrian nickte.
»Ich werde das veranlassen.« Er blickte auf seine Taschenuhr. »Meine Mutter ist heute Morgen mit Clarissa zur Schneiderin gefahren und erwähnte, dass sie den Nachmittagstee gemeinsam mit mir einnehmen möchten. Was halten Sie davon, wenn Sie mitkommen, dann können Sie sich den Springbrunnen bei Tageslicht anschauen. Wir schlendern ganz unverfänglich eine Runde durch den Park und schauen uns dabei genauer um.«
»Und wie wollen Sie meine Gegenwart erklären?«, fragte Hadley neugierig.
Adrian zuckte wegwerfend mit den Schultern. »Dann sind Sie eben ein Freund von mir oder mein Assistent.«
»Das mit dem Assistent klingt bestimmt glaubwürdiger«, entschied Hadley. »Dann können Sie behaupten, dass ich mir den Springbrunnen anschauen muss, weil Sie auch so einen auf Ihrem Landsitz haben wollen. Damit ich weiß, was Ihnen da in etwa vorschwebt.«
»Das klingt überzeugend«, bekräftigte Adrian. Er stand auf. »Kommen Sie, wir fahren.«
Auf dem Weg zur Kutsche wurde er im Foyer von Jessop aufgehalten.
»Sie gehen aus, Mylord?«, fragte der Butler. Seine Stimme troff vor Respekt, registrierte Adrian, das war sonst nie der Fall. Vermutlich lag es daran, dass er von Hadley begleitet wurde.
»Ja. Meine Mutter erwähnte, dass sie den Tee mit Clarissa einnehmen wird, deshalb fahren wir zu den Crambrays. Inzwischen sind die beiden bestimmt von der Anprobe zurück, was meinen Sie?«
»Dazu vermag ich mich nicht zu äußern, Mylord«, antwortete Jessop so gepresst, als hätte er einen Stock verschluckt.
»Hmmm … tja, dann veranlassen Sie doch bitte, dass meine Kutsche vorfährt.«
»Selbstverständlich, Mylord, selbstverständlich.« Jessop drehte sich auf dem Absatz um und durchquerte mit langen Schritten die Eingangshalle. Adrian nahm ihre Garderobe, reichte Hadley Hut und Umhang und ging voraus ins Freie.
»Zweifeln Sie nach der merkwürdigen Geschichte mit dem Springbrunnen daran, dass der Zwischenfall mit der Kutsche ein Unfall war?«, wollte Hadley wissen, während sie in Hut und Mantel auf die Kutsche warteten.
»Es ist immerhin Tatsache, dass sie an den Springbrunnen gelockt wurde, mit einer Nachricht, die ich ihr nicht geschickt habe«, erklärte Adrian mit Nachdruck. »Hinzu kommt der Umstand, dass sie unmittelbar zuvor von jemandem auf die Straße geschubst oder gestoßen wurde. Und sie hat keine Ahnung, wer dieser Jemand gewesen sein könnte. Und, nicht zu vergessen, ihr Treppensturz.«
»Davon ist mir nichts zu Ohren gekommen«, räumte Hadley ein. »Was ist da passiert?«
»Clarissa wird für gewöhnlich von jemandem begleitet, meistens von ihrer Zofe. In dem fraglichen Fall war sie zu ungeduldig, um auf ihre Begleitperson zu warten, und lief allein los. Sie stolperte über einen Gegenstand, der auf dem Treppenabsatz lag. Eigenartigerweise hat sich niemand vergewissert, über was sie da eigentlich gestürzt war.« Adrian zog die Brauen hoch. »Finden Sie das nicht sonderbar? Wenn jemand über irgendein Hindernis stolpert, dann schaut man doch nach, was es war, oder? Anscheinend hielt das niemand für notwendig.«
Hadley überlegte gedankenvoll, und Adrian trat nervös von einem Fuß auf den anderen. »Ich weiß, es gibt keine Beweise, die für oder gegen einen Unfall sprechen, aber die Sache beschäftigt mich ehrlich gesagt schon. Umso mehr nach dem Vorfall am Springbrunnen.«
»Falls jemand diese Unfälle bewusst provoziert, dann kalkuliert er Lady Clarissas Ungeschicklichkeit brutal mit ein. Soll heißen, ihre Hilflosigkeit passt demjenigen hervorragend ins Konzept«, stellte Hadley fest.
»Der Gedanke kam mir auch bereits«, stimmte Adrian zu.
»Die Stiefmutter hat ihr die Brille weggenommen. Glauben Sie, dass sie dahintersteckt?« Hadley rieb sich nachdenklich die Nase. »Sie mag das Mädchen wohl nicht besonders. Zumindest kann man diesen
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