Liebe auf eigene Gefahr Roman
»Du konntest nicht Elefant sagen.« Er wirft einen Blick auf das zerknautschte Gesicht. »Irgendein Kind wird sich bestimmt über ihn freuen.«
»Ich glaube, die sind zu staubig, um sie zu spenden, Dad, bei dem Asthma, das viele Kinder heute haben.«
»Stimmt ja, natürlich.« Er schiebt ihn in die Kiste zurück und drückt die Klappen zu.
Mein Blick geht an ihm vorbei, wandert von den farbenfrohen Überbleibseln meiner Kindheit zu den Kisten mit persönlichen Dingen, die er zusammentragen musste, als für uns alle beinahe ein zweites Leben angebrochen wäre. »Das kann weg.«
»Die ganzen Kindersachen? Ja, ist gut, ist gut.«
»Dad?« Als ich seinen Arm berühre, erschrickt er und fährt im gefächerten Sonnenlicht, das durch die vorm Fenster gestapelten Stühle sickert, zu mir herum, seine Augen sind feucht. Mein Brustkorb zieht sich zusammen. »Dad«, sage ich noch einmal.
»Katie, es geht mir gut, das ist nur der Staub. Kannst du runterflitzen und mir ein Taschentuch holen?«
Ich nicke und schlängele mich durch die Stapel zu dem beleuchteten Loch im Boden.
»Katie?«
»Ja?»Ich drehe mich zu ihm um.
»Behalt den hier.« Er zieht seinen alten Universitätsblazer aus dem letzten Karton mit seinen Sachen. Der Faden, mit dem das Wappen auf der Brusttasche befestigt war, hat sich
gelöst. »Du könntest ihn reinigen lassen, die Tasche nähen, ihn wieder richtig auf Vordermann bringen.«
»Klar. Leg ihn einfach für mich zur Seite, ja?«, bitte ich ihn sanft und hoffe, dass er es vergisst, weil ich genau weiß, dass ich ihn nicht bei mir zu Hause haben will und es nicht über mich bringen würde, ihn unterwegs wegzuwerfen.
Er hält ihn mir hin. »Dann nimm ihn doch gleich mit runter.«
»Bin gleich wieder da.« Ich zwinge mich, über die knarrenden Holzdielen zu ihm zu gehen, um den Blazer entgegenzunehmen, bevor ich hastig die Leiter hinunterflüchte.
Mit einem Greenpeace-Reisebecher voll heißer Schokolade in jeder Hand schiebe ich mich vorsichtig rückwärts durch die Windfangtür, stapfe die schneebedeckten Holzstufen zur Terrasse hinunter und halte dabei die Hände gerade, während aus den kleinen Plastiköffnungen Dampfschwaden dringen. Die späte Nachmittagssonne prallt an der Satellitenschüssel der Langdons ab und fällt auf die Eisschicht, die den verschneiten Garten fest im Griff hat.
»Keith, gib auf die Augen von deinem Bruder Acht!« Laura, die Schneemann-Vorarbeiterin, beaufsichtigt von ihrem Hochsitz auf der trockenen Ecke des Picknicktischs aus die Bauarbeiten. »Vielen Dank.«
Sie nimmt einen Becher entgegen, während ich zu ihr hinaufhüpfe und auf die Straße lausche. »Irgendwas gehört?«
»Zum Beispiel?«, fragt sie.
»Ein Auto, ein Fahrrad im Schnee. Ein Kaninchen mit einer Nachricht um den Hals.« Eine Minute lang legen wir beide den Kopf schief wie Retriever-Zwillinge. »Eine wütende Frau in einem Honda.«
»Katie!« Wir schrecken auf, und ich reiße den Kopf hoch und sehe Dad, der aus dem schrägen Dachbodenfenster herunterschielt.
»Ja?« Mit den Fausthandschuhen schirme ich mir die Augen ab.
»Was ist mit deinem Schlitten? Da steht dein Name drauf.«
»Na, der ist seit heute offiziell ein Sammlerstück!« Ich drehe mich zu Laura um. »Willst du einen fünfzig Kilo schweren Katie-Schlitten?«
»Tja, sie können ihn ja zu zweit den Berg hochziehen«, überlegt sie. »Also, gerne.«
»Laura nimmt ihn, Dad!«, rufe ich über die Schulter. Er nickt und lässt die Dachluke zufallen.
»Sollten wir ihm nicht helfen?«, flüstert sie über ihren Becher hinweg.
»Nein. Er kann dich übrigens nicht hören. Ich habe es ihm auch eine Weile lang angeboten, nachdem die Mittagszeit verstrichen war.«
»Und ihr Handy ist immer noch abgeschaltet?«
»Ja. Er ist also wieder im Delirium.« Ich nehme einen Schluck. »Aber besser Kisten auspacken als Vogelhäuser bauen.«
»Ich mochte die Vogelhäuser«, sagt sie wehmütig. »Dafür, dass sie für ihn bloß eine therapeutische Beschäftigung waren, waren sie ziemlich hübsch – ich habe meins jedenfalls immer noch. Die Eichhörnchen finden’s toll.«
»Echt? Wir haben mit unseren ein Lagerfeuer gemacht, als die Wirkung des Prozac endlich einsetzte.« Ich lasse den Kopf hängen.
»Ach, Katie, das wird schon wieder.« Sie reibt mir den Rücken an der Stelle, an der meine Schulterblätter zusammenstoßen. »Es ist doch klar, dass er seine Hochs und Tiefs hat, wenn er dieses Zeug absetzt – was war es noch
Weitere Kostenlose Bücher