Liebe auf eigene Gefahr Roman
der Kraft, mit der ich die Tasten drücke, zu erreichen, dass er zu Hause ist.
Das Telefon klingelt und klingelt. »Ohbittebittebitte!« Und klingelt. Ich warte acht-, sechzehn-, vierundzwanzigmal Klingeln ab. Dann wird die Leitung unterbrochen.
»Mist.«
Wieder erscheint der Kopf in der Bürotür.
»Entschuldigung.«
»Hmpf«, grunzt er.
Ich werfe noch einmal die Münzen ein und wähle. Beim zweiten Klingeln wird das Telefon abgenommen.
»Hallo?«, schlängelt sich Susans Stimme durch die Leitung.
»Hi, hier ist Katie! Ist Jake zu Hause?«
»Jake, bist du zu Hause?«, fragt sie abfällig. »Er steht direkt neben mir«, sagt sie dann ohne Begeisterung.
»He.« Eine einzige, leise Silbe, und all die angespannten Stunden und Führungen und Fernsehsendungen und Raststättenbesuche
und schimmeligen Duschen fallen von mir ab. »Bleib dran, ich heb in meinem Zimmer ab, ja?«
»Ja, klar«, antworte ich unsicher und ziehe meine letzte Handvoll Kleingeld hervor. Mit den Fingern trommle ich an die zerkratzte Sperrholzwand und werfe jedes Mal fünfundzwanzig Cent ein, wenn die Leitung zu piepsen anfängt.
»Bist du noch da?«, höre ich endlich seine Stimme, leise und rau.
»Ja«, antworte ich und trete so nah ans Telefon, als könnte es den Arm um mich legen.
»Wie läuft es so?«
»Zweiundsiebzig Stunden in einem Auto mit meiner Mutter – was könnte schöner sein?«
»Aber du hast es fast geschafft, oder?«, fragt er, um mir Mut zu machen.
»Ja, wir sind am späten Sonntagabend wieder zurück.«
»Dann werde ich da sein und Schlaubi an dein Fenster werfen.«
Ich lächle, aber dann fangen meine Mundwinkel plötzlich an zu zittern, als ich mir vorzustellen versuche, monatelang ohne ihn zu sein, mir vorzustellen versuche, wie es ist, wenn sich unser gemeinsames Leben nur noch an schmierigen Münztelefonen abspielt.
»Ich bin froh, dass du angerufen hast«, sagt er.
Ich schlucke und versuche, meinen Mund zu entspannen. »Ich bin vorhin nicht durchgekommen.«
»Ach, du warst das? Ja, wir haben uns gestritten.«
»Weswegen?«
»Dieselbe alte Scheiße. Na ja«, hält er inne, »nicht ganz. Ich habe die Zulassung zur University of Vermont.«
»Jake!«, versuche ich aufzuschreien, aber meine Kehle zieht sich um die Luft herum zusammen, die ich ausstoße. »Das ist doch toll! Dann seid ihr alle zusammen.«
»Ja, Sam schaut schon, ob wir zusammen in ein Zimmer
können, und Laura denkt über ein gemeinsames Auto nach«, lacht er, aber seine Stimme klingt genauso wenig begeistert wie meine.
»Das ist so … toll. Herzlichen Glückwunsch.« Die letzten Wörter werden von meinen Tränen erstickt.
»He, he, sei nicht traurig.«
»Aber ich verlasse euch alle«, presse ich hervor. »Ihr werdet alle zusammen sein und diese tollen gemeinsamen College-Erinnerungen haben, während ich … Jake, die University of Virginia war so viel schöner als jede der anderen Universitäten, auch wenn es ungefähr sechzehn Stunden Fahrt nach Hause sind. Die Leute machen einen netten und entspannten Eindruck, aber nicht zu entspannt, und sie lächeln, aber nicht fanatisch. Es fühlt sich nicht so an, als würden sie dort mit Westhighland Terriern Vitamine sniffen …«
»Was?«
»Ach, nichts.« Ich wühle in meinem Rucksack nach einem Päckchen Taschentüchern. »Nein, das ist toll«, wiederhole ich. »Wirklich toll. Ich freue mich so für dich.«
»Ich liebe dich, Katie.«
Jetzt bin ich an der Reihe, »Was?« zu fragen, während ich mir die Nase putze.
»Ich liebe dich. Und keine Entfernung wird das je ändern. Hast du mich gehört?«
»Ja«, bestätige ich.
»Nein. Hör zu. Ich – liebe – dich.« Seine Stimme wird langsamer, als würde er versuchen, diese Worte in mich einzumeißeln. »Und absolut keine Entfernung wird das je ändern. Denk immer daran. Versprochen?«
»Heißt das – was soll ich also tun?«
Das Telefon beginnt zu blöken, nachdem es in rasender Geschwindigkeit meine letzten Viertel-Dollar-Münzen verschluckt hat.
Wieder steckt der Manager mit argwöhnischem, missgünstigem Blick den Kopf zur Tür hinaus.
»Katie? Katie?«, ruft es aus der Leitung. »Versprichst du’s mir?«
»Jake?!«
Mit fest verschränkten Armen hänge ich auf dem Beifahrersitz und bemühe mich, die Augen geschlossen zu halten. Mein Mund ist trocken, weil ich die ganze Nacht geheult habe, und es ist leichter, so zu tun, als würde ich schlafen, als zuzugeben, dass ich wach bin, und eine weitere Runde Geschrei zu
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