Liebe auf eigene Gefahr Roman
Sie verhärtet sich.
»Gut.« Wir treten aus dem Laden hinaus in die Lobby des Verwaltungsgebäudes, wo wir uns wortlos trennen. Während sie zum Parkplatz weitergeht, bleibe ich im Eingangsbereich. Allein. Ich hole tief Luft, atme wieder aus und weiß nicht, was ich als Nächstes tun soll. Ich will weder zurück auf die präriegroße Grünfläche, noch will ich hier drin herumlungern. Gehorsam lasse ich die Münztelefone links liegen und wäge meine Bedürfnisse ab, während ich die Toilette betrete und dabei auf die Uhr schaue. Er hat jetzt wahrscheinlich sowieso Bandprobe.
Als ich aus der Kabine komme, sehe ich, wie sich Jessica in einem neuen College-Pullover über das Waschbecken beugt und sich mit der linken Hand die Haare aus dem Gesicht streicht. Sie fängt meinen Blick im Spiegel auf und richtet sich auf, in der rechten Hand hält sie einen kleinen Strohhalm.
»Du hast noch das Preisschild dran.« Ich zeige auf ihr Genick, wo das Champion-Logo baumelt.
»Danke.« Sie lächelt, und ihre Westhighland-Terrier-Ohrringe funkeln im Spiegel. »Ist es nicht toll hier?«, fragt sie und fährt mit dem Finger erst über ihre Puderdose und dann an ihrem Zahnfleisch entlang, um noch das letzte bisschen Pulver zu erwischen.
Ich trete aus dem Buchladen der University of Virginia, blinzle gegen das starke Sonnenlicht an und wünsche mir, ich hätte Jakes Ray-Bans dabei. Aber woher hätte ich auch wissen sollen, dass hier Frühling sein würde, richtiger Frühling – voll erblühter, süß duftender Frühling, bei dem bereits der Sommer in der Luft liegt – und nicht der schwache, deprimierende Aprilregen-Frühling von zu Hause? Am Fuß der Treppe bleibe ich stehen, kann mich nicht entscheiden, wo ich als Nächstes hin soll – in eine Bibliothek, eine Cafeteria oder ein anderes reizendes Backsteingebäude. Und plötzlich kommt wieder die dunkle, erstickende Wolke aus Schmerz hervor, die seit Februar über mir schwebt. Hier, unter der dunstigen Sonne, umgeben von Gras in Technicolor und den duftenden Blüten prächtiger Gärten. All das dringt durch ein Gewebegeflecht zu mir, das in meiner Brust sitzt und sich unter der Belastung krümmt. So als wäre ich gerade geschlagen worden. Nur, dass es nicht »gerade« war. Ohne Mom, die versucht, darüber hinwegzuplappern, ohne die warme Droge, die Jake für mich darstellt, bin ich wieder frisch, wieder akut mit dem Schmerz konfrontiert, dem Schmerz, der von dem ausgelöst wurde, was passiert ist, was wir verloren haben – den Trost unserer Gemeinsamkeit.
Vom Fußweg trete ich auf den Grünstreifen, der zur Rotunde führt. Sie ist, wie alles andere hier, herzzerreißend schön. Davor verbreiten verstreut aufgestellte Schaukelstühle einen Hauch von Alice im Wunderland . Ich streife meine flachen Schuhe ab, werfe mich in den nächsten Stuhl und lasse den Boden meine Füße kühlen.
»He, weißt du, ob die Treehouse-Snackbar heute offen ist?«
Ich blinzle zu einem jungen Mann hoch, der mit flatternden blonden Haaren zu mir herübergelaufen kommt. »Tut mir leid, ich bin nur zu Besuch hier.«
»Gehst du nicht hier zur Uni?«
»Bin noch unentschlossen.« Ich zeige auf die Tüte vom Buchladen.
»Du siehst jedenfalls aus, als würdest du dich ganz zu Hause fühlen«, sagt er grinsend. Ich bin es nicht gewöhnt, dass mich jemand anderer als Jake angrinst. Die Jungs in der Schule wissen, dass sie sich gar nicht erst bemühen müssen.
»Ist das was Gutes?«
»Unter Umständen schon.« Schelmisch tippt er mit seinem Flip-Flop an mein nacktes Schienbein.
»He, Jay! Hör auf, die Ladys abzuschleppen, und lass uns fahren!« Jay schaut über meinen Kopf, und ich linse durch die Latten meines Schaukelstuhls zu einer Gruppe von jungen Männern hinüber, die ihn zurück zum Fußweg winkt.
»Tut mir leid, Miss Unentschlossen, aber das ist meine Mitfahrgelegenheit. Viel Glück – ich meine, viel Glück uns beiden, schätze ich.«
»Danke!« Ich sehe zu, wie er davonläuft, und stelle fest, dass ich lächle. Und flirte. Und, für eine Sekunde, alles vergesse.
» Was die Verwüstung noch verschlimmert «, ertönt die britische Stimme aus dem Motel-Fernseher, » ist die Unfähigkeit des Elefantenbabys, die Leiche seiner Mutter zu verlassen, nachdem die Jäger ihr die Stoßzähne abgenommen haben. Stattdessen bleibt es jammernd an ihrer Seite, bis es schließlich ebenfalls an Dehydrierung stirbt oder kläglich verhungert .«
Sie nimmt die Brille ab und wirft mir von ihrem
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