Liebe auf krummen Beinen
wurde mit Bier begossen. Ralf hatte die Karten beim Wickel und zerlegte sie in schmale Streifen. Zuletzt nahm ich noch undeutlich wahr, wie Otmar plötzlich versuchte, sein Bild fertigzumalen , dabei mit der Staffelei zu Boden ging und die Arme durch die Leinwand bohrte. Dann verschwamm mir alles vor den Augen. Gesichter, Lampen, Flaschen, Bilder, alles drehte sich schneller und schneller. Ein rasender Wirbel um mich her. Auf einmal war ich nicht mehr vorhanden.
Als ich erwachte, meinte ich, ich sei schon tot. Ich öffnete die Augen, erkannte die Umrisse unseres Zimmers und bedauerte im nächsten Moment, nicht gestorben zu sein. Ich lag, mit einem Handtuch unter mir, auf meinem Sessel. Mein Kopf erschien mir groß wie ein Waschtrog, und er schmerzte, als wäre ich gegen einen Omnibus gelaufen. Auf der Zunge hatte ich einen faden, fürchterlichen Geschmack, und mein Fell roch wie Eugens Kneipe. Gleichzeitig peinigte mich entsetzlicher Durst.
Ich versuchte aufzustehen, aber mein Schädel fing so an zu brummen, daß ich es aufgab. Eine Weile kämpften Durst und Kopfschmerzen in mir. Dann siegte der Durst. Ich sprang vom Sessel. Die Erschütterung verursachte solche Schmerzen, daß ich fast zusammenbrach. Ich schlich zur Küche und fand meinen Napf: Leer.
Niemandem kann ich die Höllenqualen schildern, die jetzt folgten. Seitdem weiß ich, was Durst ist. Oben klickerten die Wassertropfen in den Ausguß, und unten stand ich und konnte nicht leben und nicht sterben.
Johnny, dieser Schurke! Erst fütterte er uns mit Schnapspralinen, und dann behauptete er, wir hätten sie gestohlen! Ich mußte an Ralf denken und bedauerte ihn zutiefst.
Gebrochen taumelte ich ins Zimmer zurück. Nebenan schnarchte Dan. Ich fror und ging hinüber zum Bett. Er hatte den Kopf in das Kissen gebohrt, und sein zerwühltes Haar hing ihm über die Ohren.
Ich sprang am Fußende hoch und kroch unter die Decke. Wärmer wurde mir, aber der Durst verging nicht. Ich dämmerte ein und träumte von einem ungeheuren Eimer Wasser. Ich trank und trank. Das Wasser nahm kein Ende, und ich konnte nicht aufhören zu trinken. Dann erwachte ich wieder und fort waren Eimer und Wasser. Nur der Durst war noch da.
Es verging eine endlose Ewigkeit, bis Dan sich regte.
Er schnaufte, brummte irgend etwas und stieß mit dem Fuß an mich. Mühsam kroch ich nach oben.
Dan war bleich und hatte kleine Triefaugen. Er roch genau wie ich.
«Na, du Saufsack», sagte er mit heiserer Stimme, «wie geht's?»
Miserabel, dachte ich.
«Scheußlicher Brand», murmelte er.
Er schlug die Decke zurück und stakte hinaus. Ich folgte ihm in die Küche und klapperte mit meinem Napf.
Dan trank einen großen Aluminiumtopf aus, und ich leerte meinen Napf dreimal. Mir wurde etwas besser. Wir gingen zurück ins Bett und schliefen sofort wieder ein.
Beim nächsten Erwachen war das Schlafzimmer von Sonnenlicht erfüllt. Meine Kopfschmerzen hatten sich gebessert. Dan nahm mich in seinen Arm. «Siehst du, altes Krummbein, so ist ein Kater. Schlimmer als ein lebendiger. Die Trunksucht hat schon ganze Provinzen entvölkert. Merk es dir und friß keine Cognacbohnen mehr!» Ich schwor es im stillen.
Es dauerte ziemlich lange, bis Dan mit dem Frühstück fertig war. Ich hatte keinen Appetit.
«Du mußt runter», sagte er, als er fertig war. «Und ich brauche ein Bier. Auf geht's!»
Eugen hing über der Theke und sah genauso verschwiemelt aus wie Dan. Er betrachtete mich schadenfroh. Dann griff er hinter sich und hielt mir eine Cognacbohne unter die Nase. Ich wich einen Meter zurück und schüttelte mich.
«Sieh an», sagte er, «der Blaukreuzler! Der Guttempler! Er trinkt nichts mehr. Mein Gott, hab ich über die Viecher gelacht. Einen Mordsrausch hatten die beiden!»
Während Dan und Eugen ihren Brand mit Bier löschten, setzte ich mich auf einen sonnigen Fleck und ließ mir das Fell wärmen.
Normalerweise hätte ich es so ausgehalten. Heute wurde mir der Bierdunst unerträglich, und ich schlich verstohlen zur Tür hinaus.
Draußen holte ich tief Luft und sah mich um. Die Straße war friedlich und still. Unser Vehikel war nicht da. Vermutlich hatten sie es bei Otmar stehen lassen, um Blechschäden zu vermeiden. Aber links, vor dem Buchladen, der an Eugens Ausschank grenzte, stand ein Wagen. Ein offener Volkswagen, schwarz, mit roten Polstern und einem Blumenstrauß hinter der Scheibe. Die linke Tür stand etwa um meine Breite offen. Vermutlich hatte der eilige Besitzer sie nicht
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