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Liebe auf krummen Beinen

Liebe auf krummen Beinen

Titel: Liebe auf krummen Beinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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brachen in Geheul aus, wenn ein aufregender Stich gekommen war. Nach jedem zweiten Spiel beschimpfte einer den anderen, fragte, wie es möglich wäre, daß jemand sich so blöd anstelle, und nannte ihn ein saudummes Rindviech. Der zweite Bierkasten mußte herbei. Otmar öffnete eine weitere Schnapsflasche.
    Bis dahin wußte ich noch nichts vom Alkohol. Heute weiß ich es, und ich habe mir geschworen, nie wieder einen Tropfen zu trinken.
    Ralf und ich saßen neben Johnny Wieland. Er hatte seine Aktentasche neben sich. Als er gerade nicht spielte, holte er eine bunte Pappschachtel heraus. Niemand achtete auf ihn. Er hielt uns längliche Schokoladebohnen hin. Wir schnupperten und nahmen sie vorsichtig zwischen die Zähne. Als ich hineinbiß, spürte ich unter der Schokolade eine knusprige Zuckerkruste. Dann lief mir ein sonderbarer Saft über die Zunge, süß und brennend zugleich, und ich mußte niesen. Ich ließ das Ding fallen, leckte aber dann doch wieder daran. Ralf machte es genauso. Nicht übel. Man mußte sich nur daran gewöhnen.
    Johnny grinste und gab uns noch eins. Diesmal brachte ich es schon schneller hinunter, bekam allerdings wäßrige Augen dabei. Wirklich nett von Johnny. Der einzige, der inmitten der Spielerei an uns dachte.
    Er reichte uns noch eine dritte Bohne herab. Mir war, als hätte ich nie etwas Schöneres gegessen. Als er danach keine Anstalten traf, uns weiter zu versorgen, sprangen wir an seinem Stuhl hoch und klopften ihm mit den Pfoten auf die Knie. Darauf gab er uns mit listiger Miene noch zwei Stück. Dann war Schluß, weil er wieder eine Runde mitspielen mußte.
    Inzwischen ging eine merkwürdige Veränderung mit mir vor. Plötzlich fand ich die entfesselten Spieler am Tisch weniger komisch, hörte den Lärm weniger laut, roch den Tabakrauch weniger deutlich. Ein starkes Gefühl der Lebensfreude überkam mich. Ich vergaß die Sorgen, die Rita mir bereitet hatte. Dazu fühlte ich mich leicht wie eine Maus und imstande, den Tisch mit meinen Pfoten umzukippen.
    Ralf saß dicht bei mir, aber ich sah ihn wie durch einen Schleier. Er grinste dumm und wackelte mit dem Kopf. Dann sprang er wieder an Johnnys Knie hoch, aber er konnte nicht aufrecht stehen bleiben und rutschte seitlich ab. Was hatte er nur?
    Die Runde ging unter Höllengelächter zu Ende. Johnny teilte die Karten aus. Danach beugte er sich hinunter: « Wie geht's euch denn, ihr Süßen?» fragte er.
    Wir bettelten, und er kramte seine Schachtel wieder raus. Sechs Pralinen waren noch darin. Wir fraßen sie mit fabelhafter Geschwindigkeit.
    Johnny warf die leere Schachtel hinunter. Ralf und ich fuhren mit den Schnauzen hinein. Wir kamen uns in die Quere. Ralf sprang mich an, und ich kugelte hintenüber. Wütend rappelte ich mich hoch und nahm Anlauf, aber ich konnte nicht richtig geradeaus laufen, verfehlte Ralf und warf Pauls Bierflasche um. Ralf schoß hinter mir her, und dann rollten wir unter den Tisch und stießen an Schuhe und Beine.
    «Was ist denn mit den Viechern los?» fragte Paul. «Sind die auch schon besoffen?»
    Sie wollten nach uns greifen, aber wir liefen davon und rauften uns weiter. Plötzlich ließ Ralf von mir ab, fing an, sich im Kreise herumzudrehen und schnappte nach seinem Schwanz. Mir wurde vom Zusehen so schwindlig, daß ich mich hinlegen mußte. Ich rollte auf den Rücken und versuchte vergeblich, wieder aufzustehen. Am Tisch wurden die Karten niedergelegt. Alle starrten erstaunt auf den närrischen Ralf und mich.
    «Wir haben gesoffen, und die sind blau», sagte Dan.
    «Nun sieh sich einer das an», rief Johnny mit geheuchelter Entrüstung, «meine Cognacbohnen haben sie aufgefressen! Da hört doch wirklich alles auf!»
    Er zeigte die leere Schachtel vor, und die allgemeine Entrüstung war die Folge. Uns konnte nichts mehr erschüttern. Wir wankten im Zimmer umher und hörten aus weiter Ferne, wie die Stimmen in schallendes Lachen übergingen.
    «Prost!» schrie Johnny. «Ich trinke auf zwei neue Säufer in unserer Runde! Sie leben hoch, hoch, hoch!»
    Man schwenkte die Gläser gegen uns. Dan kam zu mir und hob mich hoch.
    «Natürlich», sagte er. «Besoffen wie ein Kosak! Ein Säufer in meinem Hause! Morgen bringe ich ihn zurück und hole mir mein Geld wieder!»
    Da hätte man dich schon längst zurückbringen müssen, dachte ich matt.
    Genau kann ich nicht sagen, wie das Fest endete. Es wurde immer lauter und immer wilder. Ich wollte hinaus, fand die Tür nicht mehr, kämpfte mit einer Flasche und

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