Liebe auf krummen Beinen
mit durchbohrenden Blicken.
«Nur ein Weibchen kommt in Frage», sagte er.
Ich verstand nicht recht, was das bedeuten sollte, aber es wurde mir bald klar: Er ergriff plötzlich meine Schwester Kyra am Kragen und hob sie hoch. Sie hing da wie ein Dieb am Galgen und schaute traurig und entsetzt herunter.
«Gut», sagte der Herr. «Ich nehme sie mit. Wieviel?»
«Einhundert, Baron», sagte Frau von Quernheim.
Das Weitere ging ganz schnell: Der Baron zog aus einer Ledertasche einige Papierscheine und zählte sie auf den Eichentisch, unter dem ich so gern saß. Unsere Herrin überreichte ihm ein zusammengerolltes Pergament. Es war Kyras Stammbaum.
Der Herr steckte ein Monokel in sein zerknittertes Gesicht und las lautlos und gründlich.
«Gut», sagte er wieder. «Eine Leine habe ich.»
Frau von Quernheim hakte sie an Kyras Halsband fest. Dann nahm sie meine Schwester hoch und drückte sie an ihr Gesicht. «Leb wohl, meine Kleine», sagte sie. «Laß es dir gut gehen.» Da verstand ich, was vorgegangen war.
Sie hatte Kyra verkauft, und sie mußte nun fort von uns. Zum Abschiednehmen blieb keine Zeit. Wir sahen fassungslos zu, wie der Herr Kyra auf den Arm nahm und mit ihr zur Tür ging. Frau von Quernheim öffnete und sagte: «Auf Wiedersehen, Baron.»
Dann verschwand er. Durch den Türspalt sah ich noch einmal Kyras traurige Augen. Sie waren das Letzte, was ich jemals von ihr gesehen habe.
Wir waren sehr deprimiert und gingen früh schlafen. Ich lag lange Zeit wach, und mir wurde klar, daß uns alle ein ähnliches Schicksal erwartete.
Merkwürdig, wie schnell man vergißt. Schon zwei Tage später vermißten wir Kyra nicht mehr und dachten auch nicht an die Gefahr, die uns drohte.
Meinen Bruder Ralf traf es als nächsten. Er geriet an ein nettes Ehepaar, auch für hundert Mark. Sie fuhren in einem offenen Sportwagen davon. Ralf saß auf dem Schoß seines neuen Frauchens. Seine Pfoten lagen auf der Türkante, und seine schönen Ohren flatterten im Wind, als der Wagen anzog. Ich glaube, er hat es gut getroffen.
Molly und ich blieben zurück. Molly war unserer Mutter sehr ähnlich, ein bißchen bequem und ein bißchen dicklich.
Fortan jagten wir allein durch den Park und bellten nur noch zweistimmig.
Einige Zeit geschah nichts, und ich begann schon zu glauben, daß ich meine Tage in meinem Geburtshaus beschließen würde. Fast überfiel mich etwas Ähnliches wie Eifersucht. Ralf und Kyra waren schon draußen in der großen Welt, und wir blieben hier sitzen, erlebten nichts Neues und wurden immer älter. Aber eines Tages fuhr ein gewaltiges Auto vor. Ein Chauffeur in knapper Uniform riß den Schlag auf. Heraus rauschte eine ebenso gewaltige Dame und steuerte auf unsere Haustür zu. Ich saß hinter dem Zaun und sah sie kommen.
Kurz darauf dröhnte Frau von Quernheims Stimme. Wir schlichen ins Besuchszimmer, setzten uns auf den Teppich, hielten die Schwänze still und blickten züchtig zu Boden.
Die Dame thronte auf dem Besucherstuhl und klatschte furchtbar in die Hände, als sie uns sah.
«Gott, sind die süß», trompetete sie. «Nein, so was Herrliches!»
Sie versuchte, sich vorzubeugen, aber sie schaffte es nicht. «Ja, wo sind denn die lieben Schnuckelchen? Ja, wollt ihr denn nicht mal zu Frauchen kommen? Wollt ihr nicht?»
Den Teufel wollten wir.
«Sie sind noch sehr jung», sagte Frau von Quernheim. «Sie lernen es bestimmt.»
Du wirst dich wundern, dachte ich.
Die Dame lehnte sich zurück und redete weiter.
«Gott, sind die herrlich! Mein Mann sagt immer, Trudchen , sagt er, niemand hat so schöne Dackel wie die liebe Frau von Quernheim. Gott, was für ein Kleid Sie wieder anhaben... einfach himmlisch ... er sagt, er fühle sich ganz verwaist, seit Flocki tot ist... wie der Mann an dem Hund gehangen hat... nein, Sie können es sich nicht vorstellen...»
So ging es etwa fünf Minuten weiter. Luft zu holen, schien die Dame nicht nötig zu haben. Ich schielte zu Frau von Quernheim hinüber, die immer sehr gegen unnötigen Zeitverlust war. Ich merkte, wie sie im Geiste die Hände rang.
«... ja, und nun hat er morgen Geburtstag... bis vor einer Stunde wußte ich noch nicht, was ich ihm diesmal schenken sollte... denken Sie, wir sind einundzwanzig Jahre verheiratet...»
Der arme Mann, dachte ich, und Frau von Quernheim und Molly schienen es auch zu denken.
«... da erinnerte ich mich an Sie und Ihre entzückenden Hündchen ... Ist das nicht komisch...?»
Ich fand es nicht komisch. In mir reifte
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