Liebe auf krummen Beinen
der Entschluß, mich vor den nächsten Omnibus zu werfen, wenn Frau von Quernheim auf die Idee kommen sollte, mich dieser Dame zu überlassen. Nur nicht zu der! Ihr Gerede würde mich zur Verzweiflung treiben, und binnen kurzem würde ich genauso dick sein wie sie. Ich wußte, was auf mich wartete: ein Kissen auf dem Sofa mit Blick auf die Vitrine, dreimal täglich auf die Straße und die restliche Zeit auf ihrem Schoß! Nein, dann lieber als Meldehund in die Fremdenlegion!
Es war, als ahnte Frau von Quernheim meine Gedanken. Sie faßte mich am Kragen und setzte mich auf den Schoß der Kundin, wahrscheinlich, um den Erzählungen ein Ende zu machen. Es roch dort nach Schweiß und Puder. Ihre fetten Finger tasteten an mir herum.
«Herrlich, entzückend! Und so nette Augen hat das Hundeli ! Nur ein bißchen mager, finden Sie nicht?»
Sie hob mich hoch, bohrte ihre dicke Nase zwischen meine Ohren und nuschelte weiter.
« Hab nur keine Angst, mein Tierchen! Bei mir kriegst du immer feines Fresseli ! Feines Fresseli ! Jaaa !»
Nach einer Weile ließ sie mich los. Ich sprang hinunter und schüttelte mich gründlich. Frau von Quernheim sah mich tadelnd an.
Dann wurde meine Schwester Molly angehoben. Die Dame behielt sie länger auf dem Schoß als mich, und obwohl ich Molly nichts Schlechtes wünschte, frohlockte ich im stillen. Molly schien ihr mehr zu liegen. Heiliger Blasius, dachte ich, du hast mir schon so oft nicht geholfen, hilf mir wenigstens diesmal!
Molly wurde entlassen und setzte sich wieder neben mich.
«Nun», flötete Frau von Quernheim lieblich, «welchen darf ich Ihnen mitgeben?»
Jetzt kam's. Ich bemühte mich, eine trotzige Miene aufzusetzen. Molly behielt ihren ergebenen Blick bei, sehr zu ihrem Nachteil.
Die Fremde musterte uns abschätzend. Schließlich blieb ihr Blick auf Molly haften. «Ach Gott..., man sagt doch, Weibchen wären zärtlicher... und anhänglicher... sie ist auch nicht so mager...»
«Sie haben vollkommen recht», sagte Frau von Quernheim.
«Nicht wahr... und dann... das Schnäuzchen... es ist so schön schwarz...»
Ja, Molly hatte ein süßes, schwarzes Schnäuzchen. Ich pries meine Ahnen, daß sie es mir versagt hatten. Noch einmal musterte mich die Dame. Meine Ohren zitterten. Ich schloß die Augen, um meine Unruhe zu verbergen.
Als ich sie wieder öffnete, war die Entscheidung gefallen. Der dicke Zeigefinger der Dame wies auf Molly. «Die nehm ich!» sagte sie.
Ich atmete auf. Man denke deshalb nicht schlechter von mir als nötig. Ich wünschte Molly nichts Übles. Aber für ein Leben bei der Riesendame schien sie mir eher geeignet zu sein als ich.
«Was muß ich bezahlen?»
Frau von Quernheim nannte ihr mit milder Festigkeit den unverschämten Preis von 150 Mark. Die Dame verzog das Gesicht, als hätte sie beim Hasenessen auf eine Schrotkugel gebissen. Aber sie zahlte.
Ich saß hinter dem Gartengitter, als sie fortgingen. Eine rote Leine baumelte zwischen ihnen, und beide wackelten mit dem Hinterteil und schwitzten. Der Chauffeur riß den Schlag auf. Molly sprang ohne Verzug auf den Vordersitz und rollte sich zusammen. Ich glaube, sie schlief schon, bevor die Tür ins Schloß fiel.
Während der nächsten Tage ging es mir gar nicht gut. Ich fühlte mich verlassen und einsam. Und die Ungewißheit, wem ich in die Hände fallen würde, ließ mich nicht zur Ruhe kommen. Scheußlich!
Dieser Zustand endete zwölf Tage später. Ich trieb mich gerade im hinteren Teil des Gartens herum und erschrak furchtbar, als Frau von Quernheims Stimme erklang. Arge Befürchtungen stiegen in mir auf.
«Na los, los», rief sie, als ich den Weg herangezottelt kam, «willst du eine Extraeinladung?»
Ich drückte mich zögernd ins Verkaufszimmer und gewahrte einen Herrn von vielleicht dreißig Jahren. Er saß ziemlich lässig auf dem Kundensitz. Die würdige Umgebung schien ihm wenig zu imponieren. Er war lang und breit und hatte einen dunklen Indianerkopf. Seine Augen sahen aus, als wären sie aus braunem Samt, fast wie Hundeaugen. Sie gefielen mir. Er richtete sie auf mich, und ich erwiderte seinen Blick. Geraume Zeit sahen wir uns an.
Dann verzog der junge Mann das Gesicht. Kleine knittrige Falten erschienen in seinen Augenwinkeln, und die Grübchen neben seinen Mundwinkeln vertieften sich. Er lachte.
Dann beugte er sich nach vorn und hielt seine große Hand dicht über den Teppich.
«Na, komm, Krummbein!»
Ganz gegen meine Gewohnheit setzte ich mich in Bewegung — in
Weitere Kostenlose Bücher