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Liebe auf krummen Beinen

Liebe auf krummen Beinen

Titel: Liebe auf krummen Beinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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Richtung auf die ausgestreckten Finger. Kurz davor machte ich den Hals lang und schnupperte. Gut roch er. Ein bißchen nach Tabak, aber gut. Und während meine Nase seinen Handteller berührte, krabbelten seine Fingerspitzen ganz zart hinter meinem linken Ohr. Das ging mir durch das ganze Fell und rief ein wunderliches Gefühl von Geborgenheit und Zuneigung in mir wach. Ich möchte zu ihm, dachte ich. Ob er mich wohl nimmt?
    Er richtete sich auf, und seine braunen Augen umfaßten die stattliche Figur meiner Herrin.
    «Prima Tierchen. Gefällt mir. Was soll er kosten?»
    «120 Mark.»
    Frau von Quernheim brachte das so unbefangen heraus wie ein Schwarzhändler. Der Lange zog die Brauen etwas höher.
    «Oh», sagte er. «Das hätte ich nicht gedacht. Bißchen viel für mich.»
    Ich blieb bewegungslos sitzen, Zorn im Herzen. Frau von Quernheim, diese fleischgewordene Geldgier! Ralf und Kyra hatte sie für 100 Mark weggegeben, was schon nicht billig gewesen war. Der Dicken, welche die mollige Molly für 150 Mark eingehandelt hatte, war recht geschehen. Nun aber wollte sie für mich auch mehr herausschinden. Der Kunde sah nicht aus, als könnte er mit den Scheinen herumschmeißen. Er würde gehen und mich hierlassen, wieder in Ungewißheit und Sorgen.
    «Hundertzwanzig», murmelte er vor sich hin. «Ich dachte, man bekäme sie schon für 50 oder 80..., aber 120 Mark...»
    «Wir haben eine sehr alte Zucht», sagte Frau von Quernheim kühl. «Und Rüden sind immer etwas teurer», fuhr sie fort.
    Lügen! wollte ich rufen, aber ich konnte nicht. O schlechte Welt, in der selbst die Adligen logen.
    Der junge Mann rieb sein Kinn. Ich legte den Kopf schief und machte flehende Augen. Frau von Quernheim stand da in kalter Höflichkeit.
    «Tja», sagte der arme Kunde nach einer Weile, «ich weiß nicht... kann ich mir die Geschichte noch einmal überlegen?» Überlegen! Seit zweitausend Jahren die Rede derer, die für irgend etwas kein Geld haben. Aber Frau von Quernheim war nicht fürs Überlegen. Sie machte es ihm schnell klar. «Sehr gern. Aber aufheben kann ich ihn leider nicht. Wenn ein Kunde kommt...» Er nickte bekümmert. Wieder beugte er sich vor und hielt mir die Hand hin. Die letzte Chance! Ich leckte seinen Handteller und begann heftig zu wedeln.
    «Blasius!» rief Frau von Quernheim mahnend.
    Hol dich der Teufel, dachte ich, und wedelte weiter. Hier geht es um meine Zukunft. Mag er arm sein wie Hiob nach der Währungsreform, mir gefällt er.
    Wieder erschienen die Fältchen und Grübchen in seinem Gesicht. Seine Pranke schloß sich um mein Rückenfell. Gleich darauf saß ich auf seiner Konfektionshose. Er streichelte mir die Seiten, und mein Herz klopfte. «Na schön», sagte er, mehr zu mir als zu Frau von Quernheim, «ich nehme ihn. Wird ein knapper Monat werden... darfst eben nicht so viel fressen.»
    Ich wäre am liebsten mit allen vieren zugleich in die Luft gesprungen, aber ich hatte sowieso schon gegen meine sorgfältige Erziehung gesündigt. Kunde setzte mich vorsichtig zu Boden und stand auf. Seine Brieftasche war flach wie ein Pfannkuchen. Er tat mir leid, als er die Scheine herauskramte. Währenddessen gab Frau von Quernheim ihm gute Ratschläge, wie ich zu behandeln sei. Wahrscheinlich wollte sie ihm klarmachen, daß ich trotz des hohen Anschaffungspreises im Betrieb billig wäre.
    «Eine Mahlzeit am Tage genügt», sagte sie. Sie selbst aß fünfmal .« Allenfalls abends noch eine Scheibe Brot. Gegen die Staupe ist er schon geimpft...»
    Mit Entsetzen erinnerte ich mich an die lange Nadel in meinem Allerwertesten... «Und bürsten Sie dasFell täglich...» So sprach Frau von Quernheim und nahm mich noch einmal auf den Arm.
    «Wiedersehn, mein Kleiner. Mach mir keine Schande. Wiedersehn.»
    Als ich ihre Wange mit der Schnauze berührte, sah ich, daß ihre Augen feuchter als gewöhnlich waren, und ich vergaß allen Ärger über den Wucherpreis. Wie gut war sie immer gewesen! Sie hatte sich abgeplagt, uns großzuziehen, und etwas von ihrer Würde und Vornehmheit war auf uns übergegangen. Wie viele von uns hatte sie schon umsorgt und dann hergeben müssen. Kein Mensch fragte, wie ihr dabei zumute war. Mochte kommen, was wollte, diese schöne Zeit meiner Jugend würde ich nicht vergessen. Auch nicht Frau von Quernheim.
    Mein neuer Herr steckte meinen Stammbaum an die Stelle, wo vorher sein Geld untergebracht war. Halsband und Leine besaß er noch nicht. Er verabschiedete sich von Frau von Quernheim. Ich

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