Liebe auf südlichen Straßen
Vorwurf, Signor Berra!« unterbrach ich ihn. »Auch Ihnen liegt die Haut näher als der Rock.«
Er kratzte sich den Hals: »Ich muß versuchen, das Gut heil durch diese verdammten Zeitläufe zu bringen, Signore. Ich bin der Verwalter dieses Besitzes, der dem Marchese della Rocca di Sanforino gehört; ich trage die Verantwortung.«
»Wo lebt der Marchese di Sanforino?«
»In Rom, Signore, aber ich stehe seit einem halben Jahr mit ihm nicht mehr in Verbindung.«
»Ein Latifundienbesitzer?«
»Das eigentlich nicht, die Sanforinos sind nicht sehr reich. Es sind ein paar Güter vorhanden. Eins bei Florenz, wo die Familie ihren Stammsitz hat, und eins in der Campagna. Güter mittlerer Größe und von mittlerem Ertrag. Aber der Marchese war ein bedeutender Mann, obwohl man alles getan hat, seine Bedeutung zu schmälern. Er wurde sogar für drei Jahre nach den Liparischen Inseln verbannt. Sie verstehen, maresciallo...!«
»Politische Differenzen?«
»Was sonst? Er lehnte die Faschisten ab.«
»Nun, dann wird er jetzt Gelegenheit haben, seine Befreiung durch die Alliierten zu feiern.«
»Ach was! Der Marchese ist Patriot. Er wird die Befreiung erst dann feiern, wenn auch die Befreier das Land verlassen haben und wenn die alte Ordnung wiedergekehrt ist.«
»Ich fürchte, daß er dann noch lange warten wird...«
»Vivere e vedere«, sagte er. Leben und sehen.
Die Männer hatten den Verwundeten ins Haus getragen und in der geräumigen Veranda auf einen wachstuchüberzogenen Diwan gebettet, auf dem Signor Berra seine Siesta zu halten pflegte. Es war ein glatter Durchschuß handbreit unterm rechten Schlüsselbein, und dem Mann ging es verhältnismäßig gut.
Hein Puhvogel blinzelte mir zu: »Wir haben Hunger und Durst, Herr Feldwebel! Können Sie dem Dicken nicht mal ‘nen zarten Wink geben, daß er was Nasses aus dem Keller herausrückt und ein paar Eier auffahren läßt?«
Ich brachte Signor Berra das Anliegen meiner Leute vor: »Wie steht’s, Signor, können Sie uns einen Krug Wein oder Most und ein paar Eier pro Mann abgeben?«
Ich sah, daß Hein Puhvogel plötzlich ein Gesicht machte, als sähe er eine Erscheinung, aber ich achtete nicht darauf oder vermeinte, ihm schwebte vor dem geistigen Augen eine Schüssel voller Rühreier mit viel Schinken darin.
»Sie wissen, was ich Ihnen gesagt habe, Signor maresciallo!« erwiderte mir der Verwalter. »Kriegen die Partisanen zu hören, daß ich Sie und Ihre Männer bewirtet habe, dann passiert gewiß eine Schweinerei. Wollen Sie die Verantwortung übernehmen?«
»Geben Sie den Soldaten, was sie verlangen, Signor Berra!« hörte ich eine Stimme in einem sehr wohllautenden und völlig dialektfreien Italienisch sagen, »auf meine Verantwortung!«
»Zu Diensten, Marchesa!« sagte der Verwalter mit einer Verbeugung. Ich drehte mich überrascht um. Signor Berra nannte meinen Namen und Dienstgrad und dann mit dem Tonfall eines Zeremonienmeisters an einem Fürstenhof: »Die Marchesa della Rocca di Sanforino — die Tochter meines Herrn, des Marchese.«
Ich verbeugte mich wie in der Tanzstunde und sah im Augenwinkel, wie meine Männer sich gegenseitig mit den Ellenbogen anstießen, denn die Marchesa war das hübscheste Mädchen, das wohl einem jeden von uns bisher im Leben begegnet war.
»Zu gütig, Marchesa«, stotterte ich leicht verwirrt, »aber ich möchte Sie und Signor Berra nicht in Gefahr bringen. Ein Partisanennest haben wir ausgeräumt, aber ich fürchte, daß noch Hunderte in den Bergen stehen.«
»Wie kommen Sie in die deutsche Uniform?« fragte sie. »Sie heißen Bonaventura, wenn ich Ihren Namen richtig verstanden habe, und sprechen Italienisch wie ich.«
»Ich bin Deutscher, Marchesa. Meine Vorfahren sind vor zweihundert Jahren aus Verona nach Deutschland ausgewandert. Sie waren Stukkateure und haben an Kirchen und Schlössern gearbeitet.«
»Ein Hieronimo Bonaventura hat in unserm Florentiner Stadthaus die Stuckdecken im Treppenhaus und Empfangssaal angelegt, Arbeiten von künstlerischer Vollendung. Jedenfalls sagen es die Experten. Ich bin mehr für moderne Räume...«
»Das dürfte tatsächlich mein Urahn gewesen sein; er hieß Hieronimo und verließ Italien ums Jahr 1738.«
»Was Sie nicht sagen, Signore! Dann sind wir ja sozusagen alte Bekannte.«
Signor Berra war es sichtlich unangenehm, daß seine Marchesa sich mit einem fremden Soldaten, der zudem nicht einmal Offizier, sondern ein simpler Feldwebel war, in eine Unterhaltung einließ.
»Was
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