Liebe auf südlichen Straßen
befehlen Sie also, Marchesa?« fragte er nervös.
Sie drehte sich um und öffnete die Haustür: »Wieviel Männer sind es, Signor Bonaventura?« fragte sie mit einer halben Wendung zu mir, die ihr Profil und ihre Figur sehr reizvoll zur Geltung brachte.
»Fünfzehn, Marchesa...«, antwortete ich.
»He, Clara! He, Filomela!« rief sie mit lauter Stimme ins Haus hinein und fuhr fort, als sich die Mägde aus der Küche meldeten, »fünfzehn Liter Wein, genug Brot und für fünfzehn hungrige Soldaten Rühreier! Und spart nicht mit dem Schinken!«
»Sie sind sehr liebenswürdig, Marchesa...«, murmelte ich befangen, denn ihr Anblick verwirrte mich, »und sehr mutig...«
»Ach was!« sagte sie kopfschüttelnd, »ich bin gar nicht mutig. Aber die rossi sind Gesindel, und ich werde sie mir in Zukunft mit meinen Leuten vom Hals halten. Und bei der bandièra libertà hat der Name meines Vaters einiges Gewicht. Wenn es darauf ankommen sollte, werden wir ein paar Männer von der libertà um Schutz bitten.«
Sie drehte sich zu den Männern meines Zuges um, die sie noch immer anstarrten, als sähen sie ein Weltwunder, und lächelte ihnen zu: »Ich kann nicht serr gut doitsch — abber lassen Sie es Ihnen gutt... oh, wie sagt man auf doitsch?«
»Schmecken...«, half ich aus, »smecken!« vollendete sie.
»Darauf können Sie sich verlassen, Fräulein!« grinste Hein Puhvogel.
»Ich danke Ihnen im Namen meiner Gruppe, Marchesa!« sagte ich rasch, denn die Art, wie sich Hein die Lippen leckte und wie er sich in Positur warf, ließ mich das Schlimmste befürchten.
In diesem Augenblick entdeckte die Marchesa den Verwundeten und erblaßte. »Oh, Madonna!« flüsterte sie mir zu, »ist er schwer verletzt, der Arme?«
»Ich fürchte, ziemlich schwer. Es ist ein Lungenschuß.«
Sie drängte sich durch die Männer hindurch, die ihr bereitwillig Platz machten, und drückte den Verwundeten, der sich aufzurichten versuchte, mit einer sanften Bewegung auf den Diwan zurück. »Um Gottes willen, sagen Sie ihm, bitte, daß er ganz ruhig liegenbleiben soll. Ist ein Arzt unterwegs?«
»Wir erwarten das Sanitätsauto jeden Augenblick.«
»Ich möchte ihm so gern etwas Tröstendes sagen«, flüsterte sie mir zu, »aber mein Deutsch ist zu lächerlich...«
»Sagen Sie es ruhig auf italienisch, Marchesa... Wir verstehen alle ein bißchen davon — und der Ton eines guten Wortes ist in allen Sprachen gleich.«
Sie legte ihm die Hand auf die Stirn und kniete neben ihm nieder. Ich glaube, jeder von uns hätte sich in diesem Augenblick an die Stelle des Verwundeten gewünscht. Aber inzwischen rollte das Auto auf dem Hof ein, und die Leute winkten die Sanis mit der Tragbahre heran. Sie betteten den Mann mit geübten Griffen um und trugen ihn zum Auto und fuhren rasch davon.
Die Marchesa di Sanforino mochte neunzehn oder zwanzig Jahre alt sein. Sie war sehr groß gewachsen und hatte, ohne überzart zu sein, eine unglaublich schlanke Taille, deren Schlankheit der breite Gürtel aus schwarzem Lackleder noch betonte. Sie trug eine Hemdbluse aus stumpfer Rohseide und einen handgewebten Rock aus schwarzer Wolle mit kleinen weißen Noppen darin. Die Beine schimmerten braun durch den Strumpf, und der Fuß war mit einer derben Sandale beschuht. Das blonde Haar mit kupfernen Reflexen fiel, über das linke Ohr gekämmt, in einer langen Welle bis zur Schulter. Das Gesicht erinnerte mich an die graziöse Miniatur, die Dumont von der begabten und schönen Elisabeth Louise de Vigee Lebrun in den siebziger Jahren des achtzehnten Jahrhunderts gemalt hat. Ich war in dieses Bild immer ein wenig verliebt gewesen. Von ihrer Erscheinung ging etwas aus, was mir und auch meinen Männern den Atem nahm, und es war fast eine Erlösung, als zwei dralle vollbusige Mägde erschienen, von denen die eine die Korbflasche mit dem Wein und die andere eine riesige Schüssel mit goldgelbem Rührei herbeischleppte.
Die Männer fanden ihre Sprache wieder, und die kichernden Mädchen verteilten das Eiergericht in die klappernden Aluminiumteller und schenkten die Feldbecher voll Wein. Die Marchesa wünschte allen nochmals buono appetito und reichte mir die Hand. »Arrivederla, Maresciallo Bonaventura. Wenn Sie Ihr Weg wieder einmal nach Castellano heraufführt, wird Ihnen Signor Berra sicherlich auch ohne meine Fürsprache einen Schluck Wein vorsetzen.«
»Gewiß, Marchesa, selbstverständlich!« beeilte sich der Verwalter zu sagen. »Ich habe ja auch nicht die Absicht gehabt,
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