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Liebe auf südlichen Straßen

Liebe auf südlichen Straßen

Titel: Liebe auf südlichen Straßen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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Schützenregiments auf Grund einer offenen Tuberkulose entlassen worden. Ich überhörte ihn so lange, bis er die im Truppenausweis aufgezeichneten Stationen seiner militärischen Laufbahn samt allen Lazarettaufenthalten und die Namen aller Offiziere und Ärzte, die je ihre Unterschrift auf dem Papier abgegeben hatten, im Schlaf auswendig hersagen konnte.
    »Signor Patetta«, grinste er mich an, »ich glaube, bis zur Grenze haben wir es schon geschafft. Und die Österreicher werden doch nicht so schweinisch sein, uns den Italianos wieder auszuliefern, wie?«
    »Unberufen, Signor Salvioli! Ich nehme den ersten richtigen Atemzug erst dann, wenn es hinter Kufstein deutsche Luft ist.«
    Wir verwandelten uns wieder in brave, ein wenig tölpelhafte Bauernburschen. Die innerpolitischen Verhältnisse in Italien waren völlig verworren. Zweimal wurden wir von Militärstreifen und dutzendfach von bewaffneten Funktionären aller möglichen Organisationen aufgegriffen und auf Herz und Nieren geprüft. Wir leierten unsere Märchen herunter, daß wir gegen Kriegsende zwangsverpflichtet im Hafen von Genua gearbeitet hätten und nun zu unseren alten Arbeitsplätzen im Val Ala zurückkehren wollten. Ala klang unverfänglich, da es weit genug von der Grenze entfernt lag. Wir kamen mit unseren Ausweisen und Geschichten jedesmal glatt durch. Vor Desenzano am Gardasee überredete ich Ernst Becker, den Weg abzukürzen und über Gardone weiterzumarschieren.
    Er zog ein wenig die Nase hoch: »Links Berge, rechts der See, es ist die reine Mausefalle...!«
    »Eben deshalb wird kein Mensch vermuten, daß wir verrückt sind, über Gardone nach Norden zu gehen, wenn wir nicht eine reine Weste haben.«
    »Und dann weiter?« fragte er.
    »Vorläufig nennen wir gerade den nächsten Ort, der vor uns liegt. Später können wir dann immer noch ein Kraftwerk am Brenner angeben, wo wir früher mal gearbeitet haben und jetzt wieder Arbeit suchen.«
    »Also los!« sagte er zustimmend und drehte sich eine Zigarette.
    Ich schien mit meiner Vermutung recht zu behalten, denn nirgends waren die Kontrollen so locker und nachlässig wie hier. Wir kamen glatt und ungeschoren voran und sahen uns hinter Toskolano nach einem Nachtquartier um. Ich war schon ziemlich müde, aber Ernst drängte voran. Er wollte unbedingt bis Gargnano kommen. Wir marschierten an einem Schloß vorbei, dessen breite Front dicht neben der Straße lag. Gegenüber dunkelte ein Park hinter hohen Steinsäulen mit schmiedeeisernen Gittern. Und schließlich sahen wir die Lichter von Gargnano vor uns.
    »Jetzt noch ein paar hundert Schritt weiter und dann links ab in die Berge«, sagte Ernst, »es wächst hier Wein und Öl. Irgendwo finden wir eine leere Hütte.«
    Es waren seine letzten Worte.
    In Gargnano war die Villa Feltrinelli ein Hauptquartier der Faschisten gewesen. Es hieß, Mussolini habe das Haus ursprünglich für Clara Petacci erworben. Jedenfalls waren hier eine Menge hohe Funktionäre zusammengefangen worden, und einige von ihnen hatten an diesem Abend eine Unaufmerksamkeit ihrer Bewacher zur Flucht ausgenutzt. Die Bewohner von Gargnano waren gewarnt worden, daß jeder, der in dieser Nacht sein Haus verließe, erschossen zu werden Gefahr liefe.
    Wir stiegen einen schmalen Weg zwischen hohen Gartenmauern hinan. Es war finster wie in einem Sack. Endlich senkte sich die Mauer rechter Hand auf Hüfthöhe. Man ahnte dahinter mehr, als daß man die Bäume sah, einen Olivengarten. Ernst, dessen Begabung, sich in der Dunkelheit wie eine Katze zurechtzufinden, uns schon manchmal zustatten gekommen war, ging ein wenig voraus, um einen Einschlupf zu finden. Und in diesem Augenblick traf uns die Feuergarbe einer Maschinenpistole.
    Ich sah nicht, daß Ernst zusammenbrach. Ich spürte einen Schlag wie von einer Faust, der meinen rechten Oberschenkel traf, und hatte noch die Kraft, mich über die Mauer zu rollen, wo ich in ein Gebüsch fiel, dessen Zweige rauschend über mir zusammenschlugen. Noch ein Feuerstoß peitschte auf. Die Kugeln schlugen in die Mauer und sirrten als Querschläger durch die Luft. Dann näherten sich Schritte und Stimmen.
    »Erano due, Caporale! Es waren zwei!«
    »Unsinn! Ich habe nur einen Kerl gesehen!«
    »Aber es waren zwei Stimmen!«
    »Verdammt! Dann ist der andere weiter zurückgeblieben und hat sich davongemacht!«
    Die Lichtkegel von Taschenlampen spielten über die Mauer.
    »He, capo!« rief jemand, »das ist ja gar keiner von unseren Ausreißern!«
    »Was!«

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