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Liebe auf südlichen Straßen

Liebe auf südlichen Straßen

Titel: Liebe auf südlichen Straßen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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Dafür kann man sich immer etwas eintauschen, Mehl, Käse und ein Stückchen Fleisch, ach, mehr Knochen als Fleisch. Die Metzger waren schon immer große Betrüger. Aber jetzt ist es grad so, als ob die Hammel nur noch aus lauter Knochen bestehen. Nun ja, ich werde dir einen Teller Nudelsuppe bringen.«
    »Ich darf hier liegenbleiben?« fragte ich. »Sie werden mich nicht der Polizei übergeben?«
    Sie rieb sich nachdenklich mit dem Rücken des Zeigefingers die Nase: »Nun, vorläufig einmal, bis es dir besser geht. Hast du große Schmerzen?«
    »Ziemlich... Ich fürchte, daß Schmutz in die Wunde hineingeraten ist. Es war ein Querschläger, die reißen meistens ein Stück Stoff mit...«
    »Das stimmt, ich habe einen kleinen Stoffetzen aus der Wunde gezogen, als ich dich verbunden habe. Du brauchtest einen Arzt. Aber wir haben in Gargnano keinen Arzt. Nur einen Dentisten, der mir neulich einen Backenzahn gezogen hat. Ohne Betäubung! Es fehlte nicht viel, und ich hätte ihm eine hinter die Ohren gehauen... Und dann haben wir natürlich noch den Arzt im Faschistenlager. Aber wenn ich den hole, dann weißt du, was mit dir geschieht, dann könntest du dich gleich selber im Lager anmelden. Immerhin, mir wird nichts anderes übrigbleiben, als ihn zu rufen, wenn es schlimmer mit dir werden sollte.«
    »Ich danke Ihnen, Signora Luzzatto!«
    »Ah bah!« wehrte sie ab, »ich denke mir, daß ich an dir tue, was eine andere Frau vielleicht an meinem Matteo in seiner letzten Stunde getan hat. Ein wenig Barmherzigkeit. Wozu sind wir Menschen Gottes Geschöpfe, wenn wir einander nur Böses zufügen?«
    »Und Ihr Schwiegervater und die Kinder?« fragte ich.
    »Welche Kinder?«
    »Ihre Kinder, Signora... Kinder reden viel, ohne sich etwas dabei zu denken...«
    »Ich habe keine Kinder. Ein kleines Mädchen ist mir vor vier Jahren während der Geburt gestorben. Die Nabelschnur hatte sich um seinen Hals gelegt und hat es erstickt.«
    »Ihr nehmt aber eine Gefahr auf euch, wenn ihr mich hier bei euch verbergt.«
    »Das sagt auch der Vater meines Matteo. Aber er hört auf mich. Er ist ein sehr alter Mann und seit dem Tode von Matteo, der sein einziger Sohn war, ein wenig — nun — sonderbar...«
    Sie stützte noch einmal meinen Kopf und gab mir den Rest des Wassers zu trinken. »Immerhin«, meinte sie, »wird es besser sein, wenn du Nonno Anselmo nichts von den Räubergeschichten erzählst, die ich von dir gehört habe. Er ist kein Deutschenfreund, weil er im vorigen Kriege in deutscher Gefangenschaft war und bei euch sehr wenig zu essen bekam.«
    »Ich war damals noch nicht geboren; aber ich weiß von meinen Eltern, daß sie selber gehungert haben.«
    »Du brauchst dich bei mir nicht zu entschuldigen und bei Nonno Anselmo auch nicht, denn er begreift es doch nicht, oder er wird dir nicht glauben wollen. — Warte jetzt, ich bringe dir einen Teller Suppe, wenn Nonno Anselmo gegessen hat. Ich habe schon etwas für dich beiseite gestellt. Weißt du, er ist ein gieriger alter Mann. Wenn ich ihm sagen würde, der Rest des Essens sei für dich, er bekäme es fertig und fräße den Topf bis zum Boden leer. Nicht einmal deshalb, weil er es dir nicht gönnt, aber weil er denkt, er käme jetzt zu kurz...«
    Sie kicherte und kniff ein Auge zu: »Alte Leute sind manchmal wunderlich. Ich muß selber Zusehen, daß ich zu meinem Teil komme. Sie sind wie die Kinder...«
    Ich blieb eine Weile allein und hatte Zeit, über meine Lage nachzudenken. Es war mehr als ein glücklicher Zufall, der mich in dieses Haus geführt hatte. Aber noch war ich nicht gerettet. Ich hatte wegen einer geringfügigen Verletzung, die ich mir bei einer Streife gegen die Partisanen zugefügt hatte, von unserm Abteilungsarzt vor etwa zwei Monaten eine Tetanusspritze bekommen und hoffte, daß ihre Wirkung bis heute ausreichen würde, um mich vor einem Wundstarrkrampf zu schützen. Das war im Augenblick die größte Sorge. Die andere, daß das Gelände nach mir abgesucht würde; denn daß Ernst Becker aus einem Irrtum erschossen worden war, und weshalb wir überhaupt ohne Anruf Feuer bekommen hatten, wußte ich noch nicht. Das erzählte mir Anna erst später.
    Sie kam zurück, leider nicht mit dem erwarteten Suppentop , denn der Hunger hatte sich bei mir nach der Erwähnung des Essens eingestellt, sondern mit einer Blechschüssel voll Wasser und mit einem Leinenstreifen über dem Arm.
    »Schlag die Decke zurück, Soldat«, sagte sie, »zuerst wird das Bein frisch

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