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Liebe auf südlichen Straßen

Liebe auf südlichen Straßen

Titel: Liebe auf südlichen Straßen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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in der Nähe von Genua kennen...«
    »Oh, Sie sind also Offizier, Signore...!« sagte sie und wechselte aus dem ländlichen Du in die respektvolle Form der Anrede über.
    »Nein, ich war Feldwebel...«
    »Was, nur Maresciallo?« fragte sie ungläubig. »Ein Maresciallo und eine Marchesa, hm, das paßt aber nicht gut zusammen. Aber ich will nichts gesagt haben. — Wir haben hier nämlich auch einen Marchese in der Nähe. Er bewohnt ein ganzes, großes Schloß mit so vielen Zimmern, daß alle Leute von Gargnano darin Unterkommen könnten. Madonna mia! Ich würde mich darin einfach verirren. Und der Marchese hat drei Töchter. Sie malen und verstehen auf dem Klavier zu spielen und fahren auf einem roten Segelboot über den See. Immer hin und zurück, und ein Diener muß ihnen in einem Motorboot folgen, um sie aufzufischen, wenn sie ins Wasser fallen. Und jede hat ihren eigenen Rettungsring mit ihrem Namen, der draufgemalt ist. So reiche Leute sind das. Und Kleider tragen sie! Madonna! Von dem Geld, das eines kostet, könnte unsereiner ein ganzes Jahr oder noch länger leben! Signora RafTaeli, die Schneiderin, hat es mir gesagt und beschworen. Aber natürlich haben unsere Marchesas nur mit Offizieren verkehrt. Und die jüngste, Marchesa Giannina, hat auch einen Fliegermajor geheiratet. Ein prächtiger Mann! Die ganze Brust voller Orden. Er war stolz wie ein Pfau. Und eitel wie ein Hahn, der sich einbildet, daß die Sonne deshalb jeden Morgen über dem Monte Baldo erscheint, weil er auf dem Misthaufen des Hofes kräht. Er ist leider gefallen, der Major. Gott sei seiner Seele gnädig!«
    Ich hatte ihr amüsiert zugehört und die Schüssel inzwischen bis zum Boden geleert und gab sie ihr mit Dank zurück.
    »Ich rede zuviel, nicht wahr, Signore? Aber sehen Sie, wenn man es nur mit einem alten Mann zu tun hat, der zudem den ganzen Tag brummig ist, dann freut man sich über jedes bißchen Gesellschaft.«
    »Und ich freue mich, wenn ich so nett unterhalten werde, Signora Luzzatto...!«
    »Signora Luzzatto...« kicherte sie, »reden Sie doch nicht so geschwollen, Maresciallo! Ich bin eine Frau aus ganz kleinen Verhältnissen... Ein Arbeitstrampel, nichts weiter... Und mein Matteo — Gott hab ihn selig — hat auch nur gelegentlich Geld heimgebracht, wenn er beim Straßenbau arbeitete oder bei einem Neubau Maurerarbeit fand... In unserm Stand sagt man du zueinander.«
    »Dann bleiben wir doch dabei, Anna!«
    »Ich will es versuchen, Maresciallo...«
    »Lorenzo klingt mir besser in den Ohren. Mit dem Maresciallo ist es aus und vorbei.«
    Sie räumte die Rückenstütze weg und strich mir die Decke glatt: »Du mußt jetzt schlafen, Lorenzo, viel schlafen! Schlaf ist die beste Medizin für dich. Ich werde sehen, daß ich dir vom Rotwein des Alten einen Becher voll abzwicken kann. Er markiert den Spiegel des Weins in der großen Flasche immer mit einem Kreidepunkt. Aber ich habe es längst entdeckt und setze den Punkt eben ein wenig tiefer. Als Witwe schläft man auch nicht sehr gut und braucht ab und zu, wenn einen die Erinnerungen überkommen, einen Tropfen Wein. — Gute Nacht, Lorenzo — und hier ist eine Blechschüssel — falls du sie brauchst. Und genier dich nicht, das sind nur menschliche Dinge. Aber es nützt ja auch nichts, wenn du dich genierst - die Natur ist stärker. Gott schütze dich diese Nacht!«
    Ich blieb aufgemuntert und erheitert zurück. Anna war wirklich eine prachtvolle Frau und selber ein Stück Natur. Und ich beschloß, mich nicht zu genieren.---
    In der Nacht erwachte ich durch Schüsse und Hundegebell. Schritte von eisenbeschlagenen Männerstiefeln und laute Stimmen näherten sich dem Hause. Ich lag hilflos, wie ein auf den Rücken geworfener Käfer, mit wildklopfendem Herzen auf dem knisternden Lager. Das bedeutete das Ende der Flucht und das Ende der Freiheit und vielleicht noch Schlimmeres.
    Und dann hörte ich Anna Luzzattos Stimme, und sie schrillte vor heller Empörung: »Was wollt ihr hier mitten in der Nacht? Ist das eine Art, einen alten Mann und eine alleinstehende Witwe zu Tode zu erschrecken?«
    »Tut uns leid, Signora Luzzatto, aber es fehlen uns noch immer ein paar von den Kerlen! Sie können nicht weit gekommen sein und müssen hier in den Bergen stecken. Wir müssen das Haus durchsuchen!«
    »Was soll das heißen, ihr Esel«, fauchte Anna die Männer an, »wollt ihr Schweinekerle damit etwa behaupten, daß ich, Anna Luzzatto, die ehrbare Witwe von Matteo Luzzatto, einen von euren

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