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Liebe auf südlichen Straßen

Liebe auf südlichen Straßen

Titel: Liebe auf südlichen Straßen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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getrunken! — Nur um einen Witz zu machen, gab ich ihr diese dumme Antwort. Am liebsten hätte ich mir hinterher die Zunge abgerissen. Nein, man darf nicht auf sein Herz spucken!«
    Ich zog sie zu mir und küßte sie, denn ihre Worte hatten mich tief angerührt.
    Und sie flüsterte vor meinem Munde: »O amore, o Lorenzo, ich werde immer an dich denken... Und vielleicht bleibe ich nicht ganz allein, aber das steht im Willen der Madonna...«
    Ich achtete nicht auf ihre Worte, oder vielmehr, ich verstand nicht, was sie damit sagen wollte.
    »Wann willst du mich verlassen und gehen?« fragte sie.
    »So bald wie möglich. Das Bein macht mir zur Zeit weniger als sonst zu schaffen. Ich werde von hier aufbrechen, wenn es noch dunkel ist. Dann gefährde ich euch nicht. Und wenn man mich fragen wird, wo ich herkomme, nun, so werde ich schon ein Märchen erfinden, das glaubwürdig klingt.«
    »Geh noch nicht heute, Lorenzo!«
    »Gut, Anna, heule noch nicht, aber morgen.«
    »Der Weg ist steil. Ich werde dich bis zur Straße begleiten. Bei wem willst du dich melden?«
    »Zunächst einmal beim Bürgermeister von Gargnano.«
    »Da hast du es nicht weit. Du brauchst nur ein Stück geradeaus zu gehen, dann kommt eine Tankstelle, da biegst du rechts ab und kommst nach dem Convento des heiligen Franziskus direkt zum Porto nuovo und zur Piazza Feltrinelli. Dort ist die Bürgermeisterei. Der Podestà heißt Zanella. Er ist ein dicker Mann und schlecht auf den Beinen, weil er Plattfüße hat, aber man kann gut mit ihm reden. Und er hat die Deutschen gern. Er möchte, daß Gargnano ein Fremdenort wird wie Gardone oder Malcesine auf dem anderen Ufer. Sag ihm, daß dir Gargnano gefällt und daß du deinen Freunden in Deutschland erzählen wirst, wie schön es hier ist. — Aber da sitze ich und schwatze, und du bist müde, nicht wahr?«
    »Nein, Anna, ich bin nicht müde, bleib noch ein wenig bei mir.«
    »Mir ist das Herz schwer«, sagte sie mit dunkler Stimme, »zu denken, daß dies es nun unsere letzten Stunden sind und daß wir uns vielleicht nie im Leben wiedersehen werden! O amore, das macht den Speichel im Munde bitter.«
    »Wir werden uns wiedersehen, Anna...«
    »Ach, Lorenzo, das sagst du jetzt so hin und glaubst es vielleicht sogar. Aber ich weiß es besser. Denn wer bin ich, daß es einen gebildeten Mann wie dich zu mir zurückzöge... Ihr habt ein Badezimmer daheim, und ein Klosett, wo man darauf sitzt wie auf einem bequemen Stuhl, und du ziehst, und das Wasser rauscht hinter dir... Ich hätte es dir nicht geglaubt, wenn Signora Raffaeli es mir nicht bestätigt hätte, daß der Marchese für seine Töchter genau solch ein Klosett im Schloß hat einrichten lassen. Und deine Schwestern spielen auf dem Klavier wie Grafentöchter, und ihr eßt mit silbernen Löffeln...«
    Sie seufzte tief auf und wischte sich eine Träne von der Wange: »Gewiß, Lorenzo, du warst hier, aber recht eigentlich war es nur dein Körper, der hier lag. Mit deinen Gedanken warst du immer weit weg. Sogar, wenn ich in deinen Armen lag. Du brauchst nicht zu widersprechen, denn es tat mir nicht weh. Ich werde in deiner Erinnerung nur ein Schatten sein im Lichte der Frau, die du liebst und zu der es dich hinzieht — Gina.«
    »Ich werde Gina von dir erzählen, Anna! Wir werden zusammen zu dir kommen...«
    »Sei vorsichtig, Lorenzo!« unterbrach sie mich, »erzähl ihr lieber nicht zuviel! Frauen hören so etwas nicht gern. Erzähl ihr lieber von einem alten guten Mann, der dich hier fand und pflegte. Ja, erzähl ihr von Nonno Anselmo. — Ich muß lachen, wenn ich daran denke, daß deine Gina den alten Teufel in ihre Gebete einschließen wird. Sogar Gott und die Heilige Dreifaltigkeit werden lachen, wenn Nonno Anselmo eines Tages vor den himmlischen Thron treten und um Einlaß ins Paradies bitten wird. Eigentlich müßtest du in der Hölle schmoren, Anselmo, wird Gottvater sagen, und denk ja nicht, daß es dein Verdienst ist, wenn ich dir dennoch die Pforte zum Paradies öffne. Du verdankst diese Gnade nur dem Irrtum einer jungen Dame... Aber so geht es eben in der Welt und wohl auch im Himmel zu. Selten werden Ehren und Güter nach der Gerechtigkeit verteilt...«
    »Schon, um dich wieder zu hören, werde ich wiederkommen!« sagte ich lachend.
    »Ich weiß, ich rede viel dummes Zeug; aber es freut mich, wenn du darüber lachen kannst, Lorenzo.«
    Die Morgendämmerung quoll grau und kühl durch die Ritzen der Tür und durch den Fensterschlitz. Anna zog das

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