Liebe braucht keinen Ort
als Verdächtige. Nachdem der Leiter der Untersuchungseinheit jedoch mit Major Dawson gesprochen hatte, änderte sich die Atmosphäre. Nun fragte man sie nach Dingen, die sie vielleicht beobachtet oder gespürt hatte, und da sie keine Verdächtige mehr war, verschwand auch das Interesse der Sicherheitsbeamten an Reggie aus Bournemouth. Als die Beamten mit der Befragung fertig waren, hatte Liza sie davon überzeugt, dass Rani ein unschuldiges Opfer war. Sie war erleichtert, dass nun wenigstens die Eltern ihrer Freundin nicht mit anklagenden Fragen konfrontiert werden würden.
Selbst beim Treffen mit Ranis Eltern weinte Liza nicht. Erst später, als sie mit David in seinem Hotelzimmer war, hatte sie das Gefühl, als lösten sich allmählich all die Drähte und Schnüre, die sie den ganzen Tag über zusammengehalten hatten. Dann jedoch weinte sie so laut und verzweifelt wie noch nie in ihrem Leben. Hätte Rani doch bloß diese Einladung ausgeschlagen! Wäre sie doch nur einmal, nur dieses einzige Mal, nicht mit dem aufregenden Fremden mitgegangen! Wo war sie jetzt? Wo war all das, was Rani ausgemacht hatte? Wie sollte Liza leben, ohne ihreFreundin je wiederzusehen? Die Verzweiflung darüber zwang sie in die Knie.
David ließ sie einfach weinen und Liza liebte ihn dafür. David sagte nichts und versuchte nicht, sie aufzumuntern. Er hielt sie einfach fest. Als sie sich endlich völlig verausgabt hatte, reichte er ihr die Hand, zog sie auf die Beine und hielt sie eng umarmt.
»Ich glaube, wir brauchen jetzt ein Abendessen«, murmelte er sanft.
Sie bestellten es auf der Wand mit dem Zimmerservice, gönnten sich diesen teuren Luxus. Die Wand bestand aus einem Mosaik von Bildschirmen, und auf jedem war etwas abgebildet, das innerhalb von zehn Minuten auf einem kleinen Förderband in ihr Zimmer geliefert werden konnte, das in einem Glaskasten in die Wand eingelassen war. Es gab so viele Dinge, dass sie ewig brauchten, um sich zu entscheiden.
Okay, ich teile mir mit dir ein Huhn General Tso, aber nur, wenn wir uns auch einen Milchshake teilen können. Was soll das heißen? Natürlich passen Milchshakes zu chinesischem Essen!
Liza musste gegen ihren Willen lachen. Die Ablenkung nahm ihr zwar nicht die Trauer, aber sie erinnerte sie auch an die Freuden des Tages. Vor vierundzwanzig Stunden hatte sie noch gedacht, sie würde David niemals wiedersehen.
Am leichtesten wäre es gewesen, einfach damit zufrieden zu sein und zu Bett zu gehen, aber sie wusste, dass sie das nicht schaffen würde. Der Tag hatte erneut bewiesen, dass das Leben völlig unvorhersehbar war und überraschend kurz sein konnte.
Der Augenblick war gekommen, um das zu tun, was Liza sich vorgenommen hatte, falls sie David je wiedersehen sollte: »Wir müssen miteinander reden.«
»Ich weiß«, sagte er mit einem tiefen Seufzer. »Ich muss dir ein paar Dinge erzählen.«
»Ich zuerst«, beharrte Liza. Sie war sich ziemlich sicher, dass vieles, was sie sagen wollte, seine Erklärungen ohnehin überflüssig machen würde. »Du denkst vielleicht, dass das, was ich jetzt sagen werde, etwas mit heute zu tun hat, aber es ist etwas, das ich schon vor Wochen entschieden habe.«
Sie berührte die Kette mit Neptuns Tränen, die in der kleinen Mulde an ihrem Hals lag, und hörte wieder Mrs Harts Mahnung:
Gehe mutig mit deinem Leben um, Liza.
Sie hatte seit jenem Tag die Halskette nicht mehr abgelegt, genauso wenig wie das Armband mit den beiden Buddhas, das David ihr geschenkt hatte.
»Wenn du nach Omura zurückgehst, möchte ich mitgehen.« Sie hatte nicht mit seinem geschockten Gesichtsausdruck gerechnet. Diese Möglichkeit hatte er offensichtlich niemals in Erwägung gezogen. »Es ist die einzig sinnvolle Lösung«, fuhr Liza fort. »Sie lassen dich nicht hierbleiben. Sie haben dich ausgebildet und sie brauchen dich dort. Also komme ich mit.«
»Aber … aber ich habe dir doch gesagt, wie es auf Omura ist. Keine Kunst, keine Literatur, nichts für die Fantasie. Es ist mein Zuhause, und ich gehöre dorthin, aber du würdest es schrecklich finden.«
»Viel schrecklicher fände ich ein ganzes Leben ohne dich.«
Er stand auf und begann unruhig auf und ab zu laufen. »Es geht nicht, Liza. Du kannst nicht mit mir mitkommen.«
Sie stellte sich ihm in den Weg. Er dachte, dass er noch nie jemanden gesehen hatte, den die Leidenschaft so wunderschön machte. Seine wunderbare Liza.
»Warum kann ich nicht mitkommen?«, fragte sie. »Du hast selbst gesagt, dass Omura
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