LIEBE DEINEN NÄCHSTEN Noah Fitz Thriller (German Edition)
oft.
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„Lisa, hast du eine Aspirin-Tablette für mich?“, fragte Raphael erschöpft.
Lisa holte ihm sofort eine, da sie die kleinen weißen Helfer immer dabei hatte. Die Migräne war ihr ärgster Feind.
Er nahm die Tablette und spülte sie mit dem Energiegetränk seinen trockenen Hals hinunter. Eine geschlagene Minute saß er einfach nur da.
„Lisa, wir sahen, wie der Wagen Gregor von der Straße fegte.“ Er wartete ihre Antwort erst gar nicht ab. Morgenstern starrte ins Nirgendwo und hielt dabei geistesabwesend die kleine SIM-Karte seines kaputtes Telefons in der Hand. Das Mini-Plastikteil mit den gespeicherten Telefonnummern war erstaunlicherweise trotz seiner brutalen Attacke ganz geblieben. Der wie paralysiert wirkende Inspektor häufte ihr Wissen zu einem Berg von Informationen an, das war seine Methode, die er immer anwandte, und bis jetzt war seine Vorgehensweise immer erfolgreich gewesen. Währenddessen holte Lisa ihm ein altes Ding aus der Schublade. Ihr Ersatzhandy war neuer als sein altes.
„Die Box haben wir auf der anderen Seite des Unfallortes gefunden. Hinter dem Zaun aus Grün. Der uns die Sicht zur Straße versperrte. Das heißt, er wartete auf ihn, hinter den Sträuchern. Was aber nicht den Fundort der Box erklärt. Das Ding konnte einfach nicht so weit in die entgegengesetzte Richtung des Aufpralls fliegen. Wir müssen sofort ins Krankenhaus, vielleicht ist er nicht so sehr verletzt, ich meine Gregor, das hoffe ich zumindest.“
„Ich auch“, flüsterte Lisa.
Als sie sich auf dem Weg nach draußen befanden, sah Lisa, dass die Wohnungstür ihrer Nachbarin sperrangelweit offen stand. Die Kommissarin stürzte ohne anzuklopfen hinein. Ihr Partner folgte ihr.
Die beiden sorgten sich umsonst. Die alte Dame schlief im Wohnzimmer auf einer durchgesessenen Couch neben einer leeren Weinflasche, die umgeworfen auf dem Boden lag. Das monotone Schnarchen war ein sicheres Zeichen dafür, dass die schlafende Frau am Leben war.
Raphael zog Lisa am Ärmel, er wollte schnell weg hier, allein die Atmosphäre in der unaufgeräumten Wohnung jagte ihm Angst ein. Es roch nach Alt und Alkohol. Alles hier war schlampig und lieblos, die Tapeten hingen in langen Streifen herunter, anscheinend trieb hier eine Katze ihr Unwesen, denn überall gab es Kratzspuren und Reste von Tierfäkalien. Lisa folgte ihm ohne jegliche Spur von Widerstand. ‚ Das ist mein erster, aber auch mein letzter Besuch ‘, dachte Lisa kopfschüttelnd.
„Wo steht dein Wagen?“, wollte Raphael wissen, als er die Wohnungstür der alten Lady hinter sich schloss. Erst jetzt atmete er tief durch. ‚ Der Anblick von Frau Blumenweiß tat ihm gut ‘, dachte seine Partnerin etwas sarkastisch. ‚ Ab heute weiss er, dass es Menschen gibt, deren Leben noch weniger Wert ist als seins‘.
„In der Garage natürlich“, antwortete sie lapidar.
„Sag bloß nicht, so war es die ganze Zeit?“ Der Beamte war mehr als geschockt, als er vor der Garage stand, die ihn mit offenem Tor zum Hineintreten einlud.
„Wer soll bei uns im Kaff etwas ...“, wollte seine Partnerin die Anschuldigung von sich abschütteln. Ihr Partner hatte recht, stellte sie besorgt fest, als ihr der arme Gregor wieder in den Sinn kam.
Lisa wusste, was er im jetzigen Augenblick über sie dachte, ihr ging es nicht anders.
„Und jetzt?“ Raphael sprach zu ihr, ohne seine trockenen Lippen, die voller feiner Risse waren und an einigen Stellen bluteten, zu bewegen.
„Was?“ Sie hasste solche Fragen, auf die es tausend Antworten gab.
„Du denkst wohl nicht im Ernst, dass wir jetzt mit deinem Karren ins Krankenhaus kutschieren, stand ja nur die ganze Nacht für jeden Deppen frei zugänglich da. Wenn dieses Arschloch dir eine abgetrennte menschliche Hand an die Tür hämmert ...“ Raphaels Gesicht wurde rot, und seine Halsschlagader schwoll zu einem fingerdicken, sich schlängelnden Strang an. „Dann wird er wohl zu anderen Unannehmlichkeiten auch noch imstande sein“, sprach Raphael abgehackt. Er stampfte Richtung Ausfahrt davon.
Lisa stand erst einen Moment einfach nur da. Ihre Gefühle waren gespalten, einerseits konnte sie es ja nicht ahnen, dass sie hier überfallen wurde, darum fühlte sie sich zu Unrecht und etwas zu grob von ihrem Partner angegriffen, andererseits verstand sie ihn sehr gut und gab ihm ja auch recht. Lisa war schließlich eine Kriminalinspektorin, vor allem der letzte Fall musste sie zu mehr Vorsicht
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