LIEBE DEINEN NÄCHSTEN Noah Fitz Thriller (German Edition)
Klemme stecken.“
Die junge Kommissarin kannte den alten Brummbären allzu gut, um nicht überrascht zu wirken, wie er manchmal wie aus dem heiteren Himmel in ein Gespräch einstieg.
„ Es bedeute Hilfe oder helfe mir, ist halt eine Art Hilferuf. Das hat mir Michael beigebracht, als er mich versehentlich in seiner Muttersprache bei einem Toten darum bat, den schlaffen Körper umzudrehen. Mehr kann ich auch nicht. Dass der Verrückte diese Sprache auch beherrscht, wage ich zu bezweifeln. Woher wusste er nur, wo Jochen ist und ...“ Morgenstern verstummte. Klopfte schnell mit den Fingerkuppen gegen die Tischkante und leerte das Glas in einem Zug. „Mein Sohn ist meinetwegen in Lebensgefahr, wie du weißt, in der Eile ist die Vorsicht der beste Freund. Wir dürfen nichts überstürzen. Erstens, der Täter hatte die Adressen von uns beiden, zweitens, er schreibt in Reimen. Er will, dass wir irgendwas zählen oder suchen und einem Stern folgen. Er will mit uns spielen. Er will sich mit uns messen, mit uns beiden. Er gab uns einen Hinweis, da wir trotz seiner Warnung gegen seine Spielregeln verstoßen haben, nahm er ihn wieder zurück. Es war eine männliche, gepflegte Hand. Die Haare waren abrasiert. Die Zahlen auf den Fingern ...“ Ohne direkt eine Frage an seine Partnerin gerichtet zu haben, verstand sie allein an seinem Gesichtsausdruck, was er von ihr wollte.
„Raphael, ich weiß es wirklich nicht“, sagte sie nicht ganz ohne Schuldgefühl. „Es kann alles Mögliche sein. Die Suchmaschine ist kein Orakel, es spuckt viel aus, leider scheint nichts logisch zu sein. Es war alles Mögliche dabei, von einer Telefonnummer in der Tundra bis zu einer Postleitzahl in der Antarktis.“
„Komm“, sagte ihr Partner, legte einen Fünf-Euro-Schein unter sein Glas und zog die müde Dame an ihrem Arm vom Stuhl hoch auf ihre müden Beine. Sie hatte an ihrem Getränk nur genippt und musste das volle Glas stehen lassen. Ihr Hals wurde umso trockener, als sie das Bistro verließen.
„Wir fahren zu Graziano, die Italiener können sehr unangenehm sein, wenn sie ihre Sachen nicht wieder im ordentlichen Zustand zurück bekommen“, sprach der Kommissar und zerrte an seiner Partnerin. Es ging ihm auf einmal nicht schnell genug.
‚ Raphael muss sich zusammenreißen ‘, dachte seine Partnerin. Sie merkte ihrem Boss auch an, wie er seine persönliche Aversion gegen die ganze Sache beiseite zu schieben versuchte. Er musste wie ein professioneller Bulle agieren, es würde jedem schwer fallen, einen kühlen Kopf zu bewahren, wenn ein Familienmitglied in Gefahr schwebte. Lisa tat ihr Partner sehr leid. Sein Sohn war alles für ihn, vor allem der Verlust seiner Frau band die beiden Hinterbliebenen noch fester zusammen. Das dachte zumindest der Vater, leider distanzierte sich sein Sohn mehr und mehr, nachdem die Mutter gestorben war. Sein Vater hatte sehr selten Zeit für seinen Sohn gehabt, an erster Stelle war immer zuerst seine Arbeit gekommen. Bis er seine Frau verlor. Erst dann merkte Raphael, dass er sich geirrt hatte, seine Einsicht kam wie immer zu spät. Wie Morgenstern zu seinem Verdruss feststellen musste, hatte er keine Familie mehr. Nur ein ihm fremd gewordener Sohn blieb ihm übrig.
Raphael war kein Macho . Wie jeder Mann, den Lisa kannte, war auch er einer, der seine Gefühle lieber in sich hinein fraß und nach außen immer einen gelassenen Eindruck hinterließ.
„Wir müssen noch vorsichtiger sein“, sagte der überforderte Kommissar, als sie sich schleppend dem Wagen näherten. „Es kann auch einer aus unserem engsten Bekanntenkreis sein. Ist dir etwas aufgefallen, als ich dem Bengel nachjagte? Jede Unstimmigkeit, jedes auch noch so kleines Detail kann ein Hinweis auf die tatverdächtige Person sein. Lisa, hast du irgendjemanden beobachtet, ein Huschen, einen Schatten?“
„Du siehst schon Gespenster. Du denkst, er läuft uns nach, folgt uns auf Schritt und Tritt? Falls sich dann einer von uns umdreht, stellt sich der Verfolger rücklings an die Wand und wird unsichtbar, so wie in den Zeichentrickfilmen? Nein, ich war dort allein, habe mich dann etwas mit Michael unterhalten können ...“
„Lisa!“ Raphaels abrupte Bewegung, bei der er seine Partnerin an den Schultern packte und tief in ihre grünen Augen sah, erschreckte die junge Dame. „Du darfst das nie - verstehst du? - nie wieder machen. Er ist der Einzige, dem ich noch traue. Wir dürfen ihn nicht mehr in Gefahr bringen.“ Seine
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