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Liebe deinen nächsten

Liebe deinen nächsten

Titel: Liebe deinen nächsten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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ein Tablett mit Kaffee und einen silbernen Ständer mit Kuchen, drei Etagen übereinander.
      »Was ist denn das?« fragte Ruth erstaunt.
      »Das sind die Wunder von Kerns Farr-Parfüm!«
      Kern strahlte und schenkte den Kaffee ein. »Wir haben jeder das Recht auf ein beliebiges’ Stück Kuchen. Was möchtest du haben, Ruth?«
      »Ein Stück Käsekuchen.«
      »Hier hast du ein Stück Käsekuchen. Ich nehme einen Mohrenkopf.«
      »Soll ich Ihnen den Rest einpacken?« fragte der Kellner.
      »Welchen Rest? Wieso?«
      Der Kellner machte eine Handbewegung über die drei Etagen. »Das ist doch alles für Sie bestellt!«
      Kern sah ihn erstaunt an. »Alles für uns? Wo ist denn … kommt der Herr denn nicht …«
      »Der ist längst weggegangen. Alles schon erledigt. Also …«
      »Halt«, sagte Kern eilig, »halt um Himmels willen! Ruth, noch eine Cremeschnitte? Ein Schweinsohr? Oder ein Stück Streuselkuchen?«
      Er packte ihr den Teller voll und nahm sich selbst auch noch ein paar Stücke. »So«, sagte er dann aufatmend, »den Rest packen Sie bitte in zwei Pakete. Eins bekommst du mit, Ruth. Wie herrlich, einmal für dich sorgen zu können!«
      »Der Champagner ist schon kalt gestellt«, erwiderte der Kellner und ergriff das silberne Meisterwerk.
      »Champagner! Ein guter Witz!« Kern lachte.
      »Kein Witz.« Der Kellner zeigte zur Tür. Dort erschien der Wirt persönlich und trug einen mit Eis gefüllten Kübel vor sich her, aus dem der Hals einer Champagnerflasche ragte.
      »Nichts für ungut«, grinste er süßlich. »War natürlich nur ein Scherz, vorhin …«
      Kern lehnte sich mit aufgerissenen Augen zurück.
      Der Kellner nickte. »Alles schon bezahlt.«
      »Ich träume«, sagte Kern und strich sich über die Augen. »Hast du jemals Champagner getrunken, Ruth?«
      »Nein. Das habe ich bis jetzt nur im Film gesehen.«
      Kern faßte sich mühsam. »Herr Wirt«, sagte er mit Würde, »Sie sehen, welch vorteilhafen Tausch ich Ihnen vorgeschlagen habe. Eine Flasche des weltberühmten Kern-Farr gegen zwei lächerliche Käsekuchen! Hier sehen Sie, was Kenner dafür geben!«
      »Man kann nicht alles wissen«, erklärte der Wirt. »Ich verstehe mehr von Getränken.«
      »Ruth«, sagte Kern, »von heute an glaube ich an Wunder. Wenn jetzt hier durchs Fenster eine weiße Taube hereinflöge, im Schnabel zwei gültige Pässe für uns auf fünf Jahre oder eine unbegrenzte Arbeitserlaubnis – es würde mich nicht erstaunen!«
      Sie tranken die Flasche leer. Es wäre ihnen als Sünde erschienen, wenn sie einen Tropfen dringelassen hätten. Es schmeckte ihnen nicht einmal so besonders; aber sie tranken und wurden immer heiterer und waren zum Schluß beide ein wenig betrunken.
      Sie brachen auf. Kern nahm die Kuchenpakete und wollte die Koteletts bezahlen. Aber der Kellner wehrte ab. »Alles schon erledigt…«
      »Ruth«, sagte Kern mit etwas stockender Stimme, »das Leben überwältigt uns. Noch ein solcher Tag, und ich werde zum Romantiker.«
      Der Wirt hielt sie auf. »Haben Sie noch was von dem Parfüm? Ich dachte, für meine Frau …«
      Kern wurde wieder wach. »Zufällig habe ich noch eine da. Die letzte.« Er zog die zweite Flasche aus der Tasche. »Aber nicht mehr wie vorhin, mein Lieber. Die Gelegenheit haben Sie verpaßt! Zwanzig Kronen!« Er hielt den Atem an. »Weil Sie es sind!«
      Der Wirt rechnete blitzschnell. Dreißig Kronen hatte er dem Rittmeister bei dem Champagner und dem Kuchen zuviel gerechnet. Blieben also noch zehn Kronen Überverdienst. »Fünfzehn«, bot er.
      »Zwanzig.« Kern machte Miene, die Flasche wieder einzustekken.
      »Also gut.« Der Wirt holte einen zerknitterten Schein aus der Tasche. Er beschloß, seiner Geliebten, der strammen Barbara, zu sagen, die Flasche hätte fünfzig gekostet. Er konnte so einen Hut für sie sparen, den sie seit Wochen verlangte, und der achtundvierzig Kronen kosten sollte. Ein doppeltes Geschäf.
      Kern und Ruth gingen zum Hotel. Sie holten Ruths Koffer und gingen dann zum Bahnhof.
      Ruth war still geworden. »Sei nicht traurig«, sagte Kern. »Ich komme bald nach. In einer Woche spätestens muß ich hier hinaus. Ich kenne das. Dann komme ich nach Wien. Willst du, daß ich nach Wien komme?«
      »Ja, komm! Aber nur, wenn es richtig für dich ist.«
      »Warum sagst du nicht einfach: ›Ja, komm‹?«
      Sie sah ihn etwas schuldbewußt an. »Ist das andere nicht

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