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Liebe deinen nächsten

Liebe deinen nächsten

Titel: Liebe deinen nächsten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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anständig!« Der Blonde machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ich bin ein alter Antisemit. Aber bei so einer Schlächterei kann man doch nicht zuschauen. Sie haben übrigens einen schönen, kurzen Geraden geschlagen. Trocken und schnell. Irgendwann boxen gelernt?«
      »Nein.«
      »Dann sollten Sie es lernen. Sie haben gute Anlagen. Sind nur viel zu hitzig. Wenn ich der Papst der Juden wäre, würde ich ihnen jeden Tag eine Stunde Boxen verordnen. Solltet sehen, wie die Brüder Respekt vor euch kriegten.«
      Kern griff sich vorsichtig an den Kopf. »Mir ist im Moment nicht nach Boxen zumute.«
      »Gummiknüppel«, erklärte der Student sachlich. »Unsere brave Polizei. Immer auf der Seite der Sieger. Heute abend ist Ihr Schädel besser. Dann fangen wir an zu üben. Irgendwas müssen wir ja zu tun haben.« Er zog die langen Beine auf die Pritsche und sah sich um. »Zwei Stunden sind wir nun schon hier! Verdammt langweilige Bude! Wenn wir wenigstens ein Spiel Karten hätten! Schwarzen Peter kann doch irgendeiner spielen.« Er musterte die jüdischen Studenten verächtlich.
      »Ich habe ein Spiel bei mir.« Kern griff in die Tasche. Steiner hatte ihm damals das Spiel des Taschendiebes geschenkt. Er trug es seitdem stets als eine Art von Amulett mit sich.
      Der Student sah ihn anerkennend an. »Alle Achtung! Aber sagen Sie mir jetzt nur nicht, daß Sie Bridge spielen! Alle Juden spielen Bridge, sonst nichts.«
      »Ich bin Halbjude. Ich spiele Skat, Tarock, Jaß und Poker«, erwiderte Kern mit einem Anflug von Stolz.
    »Erstklassig. Da sind Sie mir über. Jaß kann ich nicht.«
      »Es ist ein Schweizer Spiel. Ich werde es Ihnen beibringen, wenn Sie wollen.«
      »Gut. Ich gebe Ihnen dann dafür Ihre Boxlektion. Austausch geistiger Werte.«
      Sie spielten bis abends. Die jüdischen Studenten unterhielten sich inzwischen über Politik und Gerechtigkeit. Sie kamen zu keinem Resultat. Kern und der Blonde spielten zuerst Jaß; später Poker. Kern gewann im Poker sieben Schilling. Er war ein guter Schüler Steiners geworden. Sein Kopf wurde allmählich klarer. Er vermied es, an Ruth zu denken. Er konnte nichts für sie tun; Grübeln allein hätte ihn schwach gemacht. Und er wollte seine Nerven zusammen haben für die Vernehmung vor dem Richter.
      Der Blonde warf die Karten zusammen und zahlte Kern aus. »Jetzt kommt der zweite Teil«, sagte er. »Los! ’ran, um ein zweiter Dempsey zu werden.«
      Kern stand auf. Er war noch sehr schwach. »Ich glaube, es geht nicht«, sagte er. »Mein Kopf verträgt noch keinen zweiten Schlag.«
      »Ihr Kopf war klar genug, mir sieben Schilling abzunehmen«, erwiderte der Blonde grinsend. »Vorwärts, überwinden Sie den inneren Schweinehund! Lassen Sie das arische Raufoldblut in sich sprechen! Geben Sie der humanen jüdischen Hälfe einen Stoß!«
      »Das tue ich schon seit einem Jahr.«
      »Ausgezeichnet. Also schonen wir vorerst den Kopf. Fangen wir mit den Beinen an. Die Hauptsache beim Boxen ist die Leichtigkeit der Füße. Sie müssen tänzeln. Tänzelnd schlägt man dem Gegner die Zähne ein. Angewandter Nietzsche!«
      Der Blonde stellte sich in Positur, wiegte sich in den Knien und machte eine Anzahl Wechselschritte vorwärts und zurück. »Machen Sie das nach.« Kern machte es nach.
      Die jüdischen Studenten hatten aufgehört zu diskutieren. Einer von ihnen, mit einer Brille, stand auf. »Würden Sie mich auch unterrichten?« fragte er.
      »Natürlich! Brille ’runter und ’ran!« Der Blonde klopfe ihm auf die Schulter. »Altes Makkabäerblut, rausche auf!«
      Es meldeten sich noch zwei Schüler. Die übrigen blieben abweisend, aber neugierig auf den Pritschen sitzen.
      »Zwei nach rechts, zwei nach links!« dirigierte der Blonde. »Und nun auf, zum Blitzkurs! Jahrtausendelang vernachlässigte Erziehung zum Rohling nachholen. Der Arm schlägt nicht – der ganze Körper schlägt …«
      Er legte sein Jackett ab. Die andern folgten ihm. Dann begann eine kurze Erklärung der Körperarbeit und eine Probe. Die vier hüpfen eifrig in der halbdunklen Zelle herum.
      Der Blonde überblickte väterlich seine schwitzende Schülerschar. »So«, erklärte er nach einer Weile, »das kennt ihr nun! Übt es, während ihr eure acht Tage absitzt wegen Aufreizung echter Arier zum Rassenhaß. Nun tief atmen ein paar Minuten! Verschnaufen! Und jetzt zeige ich euch den kurzen Geraden, das federnde Mittelstück der Boxerei!«
      Er

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