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Liebe deinen nächsten

Liebe deinen nächsten

Titel: Liebe deinen nächsten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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machte vor, wie man schlagen mußte. Dann nahm er seine Jacke, ballte sie zusammen, hielt sie in Gesichtshöhe und ließ die andern danach schlagen. Als sie mitten im besten Üben waren, ging die Tür auf. Ein Kalfaktor kam herein mit ein paar dampfenden Näpfen. »Das ist doch …« Er stellte die Näpfe rasch ab und schrie zurück: »Wache! Schnell! Die Bande prügelt sich sogar auf der Polizei weiter!«
      Zwei Wachleute kamen hereingestürzt. Der blonde Student legte ruhig seine Jacke weg. Die vier Boxschüler hatten sich rasch in die Ecken verdrückt. »Rhinozeros!« sagte der Blonde mit großer Autorität zum Kalfaktor. »Schafskopf! Tepperter Gefängniswedel!« Dann wandte er sich an die Wachleute. »Was Sie hier sehen, ist eine Unterrichtsstunde in moderner Humanität. Ihr Erscheinen, die lechzende Hand am Gummiknüppel, war überflüssig, verstanden?«
      »Nein«, sagte einer der Wachleute.
      Der Blonde sah ihn mitleidig an. »Körperliche Ertüchtigung. Gymnastik! Freiübungen! Nun verstanden? Soll das da unser Abendessen sein?«
      »Klar«, bestätigte der Kalfaktor.
      Der Blonde beugte sich über einen der Näpfe und verzog angewidert das Gesicht. »Hinaus damit!« schnauzte er dann plötzlich scharf. »Diesen Dreck wagt ihr hereinzubringen? Spülwasser für den Sohn des Senatspräsidenten? Wollt ihr degradiert werden?« Er blickte die Wachleute an. »Ich werde mich beschweren! Ich wünsche sofort den Bezirksleiter zu sprechen! Führen Sie mich auf der Stelle zum Polizeipräsidenten! Morgen wird mein Vater dem Justizminister euretwegen die Hölle heiß machen!«
      Die beiden Wachleute starrten zu ihm auf. Sie wußten nicht, ob sie grob werden konnten oder vorsichtig sein mußten. Der Blonde fixierte sie. »Herr«, sagte schließlich der ältere vorsichtig, »das hier ist die normale Gefängniskost.«
      »Bin ich im Gefängnis?« Der Blonde war eine einzige Beleidigung. »Ich bin in Haf! Kennen Sie den Unterschied nicht?«
      »Doch, doch …« Der Wachmann war sichtlich eingeschüchtert. »Sie können sich natürlich selbst verköstigen, mein Herr! Das ist Ihr Recht. Wenn Sie bezahlen wollen, kann der Kalfaktor Ihnen ein Gulasch holen …«
      »Endlich ein vernünfiges Wort!« Die Haltung des Blonden milderte sich.
    »Und vielleicht ein Bier dazu …«
      Der Blonde sah den Wachmann an. »Sie gefallen mir! Ich werde mich für Sie verwenden! Wie ist Ihr Name?«
      »Rudolf Egger.«
      »Recht so! Weitermachen!« Der Student zog Geld aus der Tasche und gab es dem Kalfaktor. »Zwei Rindsgulasch mit Erdäpfeln. Eine Flasche Zwetschgenwasser …«
      Der Wachmann Rudolf Egger öffnete den Mund. »Alkoholische …«
      »Sind erlaubt«, vollendete der Blonde. »Zwei Flaschen Bier, eine für die Wachleute, eine für uns!«
      »Danke vielmals, küß’ die Hand!« sagte Rudolf Egger.
      »Wenn das Bier nicht frisch und eiskalt ist«, erklärte der Sohn des Senatspräsidenten dem Kalfaktor, »säge ich dir einen Fuß ab. Wenn es gut ist, behältst du den Rest des Geldes.«
      Der Kalfaktor verzog fröhlich das Gesicht. »Werd’s schon machen, Herr Graf!« Er strahlte. »So was von einem echten, goldenen Wiener Humor!«
      Das Essen kam. Der Student lud Kern ein. Der wollte anfangs nicht. Er sah die Juden mit ernsten Gesichtern das Spülwasser essen. »Seien Sie ein Verräter! Das ist modern!« ermunterte ihn der Student. »Und außerdem ist das hier ein Essen unter Kartenspielern.«
      Kern setzte sich nieder. Das Gulasch war gut, und schließlich hatte er keinen Paß und war zudem ein Mischling.
      »Weiß Ihr Vater, daß Sie hier sind?« fragte er.
      »Lieber Gott!« Der Blonde lachte. »Mein Vater! Der hat ein Weißwarengeschäf in Linz.«
      Kern sah ihn überrascht an.
      »Mein Lieber«, sagte der Student ruhig. »Sie scheinen noch nicht zu wissen, daß wir im Zeitalter des Bluffs leben. Die Demo kratie ist durch die Demagogie abgelöst worden. Eine natürliche Folge. Prost!«
      Er entkorkte das Zwetschgenwasser und bot dem Studenten mit der Brille ein Glas an.
      »Danke, ich trinke nicht«, erwiderte der verlegen.
      »Natürlich! Hätte ich mir denken können!« Der Blonde kippte das Glas selbst herunter. »Schon deshalb werden die andern euch ewig verfolgen! Wie ist es mit uns beiden, Kern? Wollen wir die Flasche leermachen?« – »Ja.«
      Sie tranken die Flasche aus. Dann legten sie sich auf die Pritschen. Kern glaubte, er könne

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