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Liebe deinen nächsten

Liebe deinen nächsten

Titel: Liebe deinen nächsten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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ausgeschrieben?« – »Ja.«
      Der Bauer spuckte aus. »Das verstehe, wer kann. Ein einfacher Mann versteht es nicht.«
      »Ich verstehe es«, sagte Kern.
      »Es kann eine Lungenentzündung geben, da oben, wissen Sie das?«
      »Lungenentzündung?« Kern sah ihn erschrocken an. »Das ist unmöglich! Das wäre ja lebensgefährlich!«
      »Natürlich«, sagte der Bauer. »Deshalb rede ich doch mit Ihnen.«
      »Es wird eine Grippe sein.«
      »Es ist Fieber, hohes Fieber, und was es wirklich ist, kann nur ein Arzt sagen.«
      »Dann muß ich einen Arzt holen.«
      »Hierher?«
      »Vielleicht kommt einer. Ich will nachsehen, ob es einen jüdischen im Adreßbuch gibt.«
      Kern ging wieder zurück in den Ort. In einem Zigarettenladen kaufe er zwei Zigaretten und ließ sich das Telefonbuch geben. Er fand einen Arzt, Doktor Rudolf Beer, und ging hin. Die Sprechstunde war zu Ende, als er kam, und er mußte über eine Stunde warten. Er beschäfigte sich damit, Zeitschrifen und Magazine anzusehen; er starrte auf die Bilder und konnte nicht begreifen, daß es Tenniswettkämpfe gab und Empfänge und halbnackte Frauen in Florida und fröhliche Menschen und daß er hilflos dasaß und daß Ruth krank war.
      Endlich kam der Arzt. Es war ein noch junger Mann. Er hörte Kern schweigend an, dann packte er seine Tasche und griff nach seinem Hut. »Kommen Sie mit. Mein Wagen steht unten, wir werden hinfahren.«
      Kern schluckte. »Können wir nicht gehen? Im Auto kostet es doch mehr. Wir haben nur noch sehr wenig Geld.«
      »Das lassen Sie meine Sorge sein«, erwiderte Beer.
      Sie fuhren zu dem Schafstall hinaus. Der Arzt behorchte Ruth. Sie blickte ängstlich auf Kern und schüttelte leise den Kopf. Sie wollte nicht fort.
      Beer stand auf. »Sie müssen ins Krankenhaus. Dämpfung der rechten Lunge. Grippe und Gefahr einer Pneumonie. Ich werde Sie mitnehmen.«
      »Nein! Ich will nicht ins Krankenhaus. Wir können es auch nicht bezahlen!«
      »Kümmern Sie sich nicht um das Geld. Sie müssen hier heraus. Sie sind ernstlich krank.«
      Ruth blickte Kern an. »Wir sprechen noch darüber«, sagte er. »Ich komme gleich wieder.«
      »Ich hole Sie in einer halben Stunde ab«, erklärte der Arzt. »Haben Sie warme Sachen und Decken?«
      »Wir haben nur das.«
      »Ich werde etwas mitbringen. Also in einer halben Stunde.«
      Kern ging mit ihm hinunter. »Ist es unbedingt notwendig?« fragte er.
      »Ja. Sie kann hier in dem Heu nicht liegenbleiben. Es hat auch keinen Zweck, sie in irgendein Zimmer zu stecken. Sie gehört ins Krankenhaus, und zwar rasch.«
      »Gut«, sagte Kern. »Dann muß ich Ihnen sagen, was das für uns bedeutet.«
      Beer hörte ihm zu. »Sie glauben nicht, daß Sie sie besuchen können?« fragte er dann.
      »Nein. Es würde sich in ein paar Tagen herumsprechen, und die Polizei brauchte nur auf mich zu warten. So aber habe ich die Chance, in ihrer Nähe zu bleiben, und von Ihnen zu hören, wie es ihr geht und was mit ihr geschieht, und mich danach zu richten.«
      »Ich verstehe. Sie können jederzeit zu mir kommen und nachfragen.«
      »Danke. Ist es gefährlich mit ihr?«
      »Es kann gefährlich werden. Sie muß unbedingt fort von hier.«
      Der Arzt fuhr ab. Kern stieg langsam die Leiter zum Boden wieder empor. Er war taub und ohne Gefühl. Das weiße Gesicht mit den dunklen Flecken der Augenhöhlen wendete sich aus der Dämmerung des niedrigen Raumes ihm zu. »Ich weiß, was du sagen willst«, flüsterte Ruth.
      Kern nickte. »Es geht nicht anders. Wir müssen glücklich sein, daß wir diesen Arzt gefunden haben. Ich bin sicher, du kommst umsonst ins Krankenhaus.«
      »Ja.« Sie starrte vor sich hin. Dann richtete sie sich plötzlich erschrocken auf. »Mein Gott, wo bleibst du denn, wenn ich ins Krankenhaus komme? Und wie sehen wir uns wieder? Du kannst ja nicht kommen, sie verhafen dich vielleicht dort.«
      Er setzte sich neben sie und nahm ihre heißen Hände fest in seine. »Ruth«, sagte er. »Wir müssen jetzt sehr klar und vernünfig sein. Ich habe alles schon überlegt. Ich bleibe hier und verstecke mich. Der Bauer hat es mir erlaubt. Ich warte einfach auf dich. Es ist besser, wenn ich nicht ins Krankenhaus komme, dich zu besuchen. So etwas spricht sich rasch herum, und sie können mich schnappen. Wir machen es anders. Ich werde jeden Abend zum Krankenhaus kommen und zu deinem Fenster hinaufschauen. Der Arzt wird mir sagen,

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