Liebe Hoch 5
kurz dran.«
Ich höre Gespräche im Hintergrund, kurzes Geraschel … und dann, wie aus dem Nichts, ist er plötzlich da!
»Hallo?«
Sofort schießen mir Tränen in die Augen und ich muss mich zusammenreißen.
»Hi Felix.«
»Papa?«
Wie ein Sprung vom 10-Meter-Turm! Freier Fall – Adrenalin – Aufprall – !!!
»Ich wollte dir nur frohe Weihnachten wünschen.«
Er sagt nichts. Aber ich höre ihn atmen und auch wenn das vielleicht nicht viel ist, ist es mehr als ich die letzten zwei Jahre von ihm hatte. Sein Atmen klingt ganz so wie meines. Ganz der Papa …
»Wünsche ich dir auch.«
Natürlich ist nicht alles wieder gut. Ein Anruf verändert nichts und wenn, dann vielleicht nur ein winziges bisschen. Aber kleine Anfänge sind auch Anfänge.
»Ben? Bist du noch dran?«
Paula hat das Telefon wieder an sich genommen und ihre Stimme klingt weit weg. Viel zu weit weg.
»Ich bin da.«
»Ist alles okay? Bist du krank oder sowas?«
»Nein. Mir geht es gut.«
Ausgesprochen gut sogar.
»Paula, kann ich Felix einen Brief schicken?«
»Sicher. Oder … bring ihn doch vorbei. Ich glaube er würde sich wirklich freuen, dich mal wiederzusehen.«
Weihnachten. Ohne Schnee. Ohne Weihnachtsbaum. Und ohne Geschenke. Aber diese zwei Sätze lassen mein Herz schneller schlagen. Ja, ich habe keine Wohnung, keinen Job und keine Freundin mehr. Aber jetzt, in diesem Bus in Stuttgart, irgendwo beim Feuersee, da habe ich alles, was ich brauche, um glücklich zu sein.
Eine Chance!
Eine Chance, um Zeit aufzuholen und zu hoffen, dass Nele recht behalten wird und Kinder ihre Eltern aus dem einzig wahren Grund lieben: aus gar keinem. Sie tun es einfach, auch wenn wir es manchmal vermasseln.
Ende Neuanfang
***
Katrin Koppold – Glühwürmchen im Bauch
»Schließe die Augen und richte den Blick auf dein Inneres. Atme tief ein und aus. Du bist ganz schwer.«
Schwer war ich in der Tat.
»Dir ist warm.«
Ich schwitzte.
»Du fühlst dich wohl und entspannt.«
Zumindest soweit das möglich war, wenn man wie ein Faschingskrapfen aussah und zwanzig Kilo Füllung mit sich herumschleppte. – Oh nein! Jetzt nicht abschweifen, Helga!
»Dein Atem strömt tief in dein Wurzel-Chakra ein.« Conny machte ein Geräusch wie ein kaputter Blasebalg. »Und durch dein Kopf-Chakra wieder aus.« Sie gab einen pfeifenden Laut von sich. »Dein Atem …«
Nils stieß mich in die Seite. Ich zuckte zusammen und öffnete unwillig mein rechtes Auge.
»Wo liegt denn dieses Wurzel-Chakra?« Fragend zeigte er erst auf seine Füße, dann auf seinen Unterkiefer.
»Ich weiß es nicht«, raunte ich zurück. Jetzt nur nicht rausbringen lassen. Ich hatte nur noch diese eine Chance.
Doch Nils ließ nicht locker. »Warum weißt du das nicht? Du warst doch schon ein paar Mal hier.«
»Dieses Wurzel-Chakra gehört anscheinend zum esoterischen Grundwissen. Und jetzt lass mich weiter danach suchen.« Schnell schloss ich das Auge wieder und atmete tief ein und aus.
»Schwer, warm, entspannt, Atem durch Wurzel-Chakra ein, schschsch, durch Kopf-Chakra aus, pffft«, wiederholte ich hastig. Ich durfte auf keinen Fall den Anschluss verlieren. Doch zu spät! Hatte ich zuvor zumindest eine leichte Müdigkeit verspürt, so war ich nun hellwach.
Nils schien in dieser Hinsicht talentierter zu sein als ich. Seine Gesichtsmuskeln waren erschlafft und sein Brustkorb hob und senkte sich regelmäßig. Er hatte anscheinend sofort wieder in den Entspannungsmodus umschalten können. Wie unfair! Dabei hegte er normalerweise ein grundlegendes Misstrauen gegen alles Esoterische. Ich hatte ihn jedenfalls nur dadurch überzeugen können, mich an diesem letzten Abend des Kurses zu begleiten, indem ich ihm klarmachte, dass ich die Geburtspositionen schlecht mit der Hebamme oder dem Mann einer Mitschwangeren nachstellen konnte.
»Wenn du ganz bei dir bist, verbinde deinen Atemfluss mit einem Mantra«, säuselte Conny. »Atme ein: soooo. Und atme aus: haaaamm .«
» Soooo haaaaam «, wiederholten die anderen Kursteilnehmer ekstatisch.
» So ham «, murmelte ich enttäuscht. Dieses Mal war ich mir so sicher gewesen, den hypnotischen Zustand zu erreichen, der uns Schwangeren laut Conny eine schmerzfreie Geburt bescheren würde. Doch weder ihre ruhige Stimme noch die Musik oder all das Qi und das Gong, das durch die Luft waberte, schien bei mir irgendeine Wirkung zu zeigen. Ich fühlte mich wie eine Versagerin. Wobei ich zugeben
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