Liebe Hoch 5
fragte Nils, als wir einen Tag später nebeneinander im Auto saßen.
»Nach dem gestrigen Erlebnis gehe ich ohne das Ding nirgendwo mehr hin.«
»Auch nicht zum Einkaufen?«
»Auch nicht zum Einkaufen.« Ich verdrehte die Augen. »Glaub’ ja nicht, dass ich es nicht bemerke, wie du versuchst, Zeit zu schinden. Aber wir müssen jetzt wirklich los. In einer Stunde gibt es Essen.«
»Ich hoffe, du weißt, dass ich mich nur dir zuliebe auf dieses Familienweihnachtsfest einlasse«, murrte Nils.
»Natürlich weiß ich das.« Ich strich ihm über die Wange. »Aber es wird bestimmt schön heute Abend, und eigentlich ist es doch viel lustiger, Weihnachten zusammen mit der Familie zu feiern als nur zu zweit.«
»Finde ich nicht.« Nils verschränkte stur seine Arme vor der Brust. »Vor allem, weil wir die nächsten zwanzig Jahre garantiert nicht mehr die Gelegenheit dazu bekommen.«
»Ach Nils, jetzt hör’ auf herumzujammern und fahr’ endlich!« Langsam wurde ich ungeduldig. Außerdem bereitete mir das lange Sitzen Probleme. Schon den ganzen Tag über hatte ich Schmerzen und mein Bauch zog sich in regelmäßigen Abständen zusammen, wurde hart und prall wie ein zu fest aufgeblasener Medizinball. »Wir bleiben auch nicht so lange. Versprochen!« Ich beugte mich, so gut es mit meiner dicken Leibesmitte möglich war, zu Nils herüber, um ihn einen Kuss auf die Wange zu drücken. Doch kurz bevor meine Lippen sein Gesicht berührten, machte etwas »Plopp«. Im nächsten Moment spürte ich, wie eine warme, feuchte Flüssigkeit aus mir herausrann. Ich fuhr zurück.
»Ist was?«, fragte Nils irritiert.
»Ich bin mir nicht sicher«, antwortete ich langsam. »Entweder ich habe mir in die Hose gemacht – und das will ich wirklich nicht hoffen – oder …«
Dieser Gedanke war zu schrecklich, um ihn laut zu äußeren.
»Oder was?« Nils’ Stimme klang panisch.
»Oder ich hatte gerade einen vorzeitigen Blasensprung.«
»Ich hatte befürchtet, dass du das sagst.« Nils ließ seinen Kopf auf das Lenkrad sinken. »Die Ledersitze … Und es ist Weihnachten.«
Ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. »Ich denke, das ist jetzt unser kleinstes Problem«, entgegnete ich. »Wir müssen ins Krankenhaus fahren.«
Nils setzte sich wieder aufrecht hin. Seine Hände krallten sich so fest um das Lenkrad, dass die Fingerknöchel weiß hervortraten. Auch aus seinem Gesicht war jegliche Farbe gewichen. »Gut. Krankenhaus. Kein Problem. Die Tasche haben wir ja zum Glück schon dabei.« Er drehte den Zündschlüssel rum und legte krachend den Rückwärtsgang ein. Der Wagen schoss zurück.
»Stopp!«
Nils stieg auf die Bremse. »Was ist?«, fragte er.
»Ich glaube, dass ich mich hinlegen muss.« Ich zog das Notizbuch aus meiner Tasche hervor und las hektisch die To-do-Liste durch. Da stand es. Vorzeitiger Blasensprung. Ich stöhnte auf. »Es stimmt. Du musst mir helfen, den Sitz zurückzuklappen.«
»Aber das geht nicht«, sagte Nils hilflos.
»Warum nicht?«, fragte ich ungehalten. »Hast du Angst, dass ich deinen Porsche schmutzig mache?« In meinem Bauch machte sich ein fieses Ziehen breit, das von Minute zu Minute stärker wurde.
»Das Auto hat keine Rückbank. Wo bitte soll ich den Sitz denn hinklappen?«
Natürlich hatte das Auto keine. Panik stieg in mir auf. Jetzt nur nicht die Nerven verlieren! »Hilf mir heraus und leg meinen Mantel auf den Boden. Ich knie mich drauf.«
»Hier in der Tiefgarage?», stotterte Nils.
»Hier ist nun einmal kein Sofa!«, schrie ich ihn an. »Himmel Herrgott! Ich kann ja verstehen, dass du aufgeregt bist. Aber es ist auch meine erste Geburt.«
Mein Rüffel wirkte. Denn Nils bewegte sich tatsächlich und zog mich aus dem Auto.
Schwer atmend kniete ich mich auf den Mantel. »Sag meinen Eltern Bescheid, dass sie ohne uns feiern müssen. Überleg dir aber eine Begründung, die sie nicht so sehr besorgt, dass sie vorbeikommen. Ich frage Conny in der Zwischenzeit, was wir jetzt machen sollen.« Nils reichte mir sein Handy und ich wählte ihre Nummer.
Zum Glück hob meine Hebamme direkt ab.
»Hast du Wehen?«, fragte Conny.
Ich nickte mit schmerzverzerrtem Gesicht. Doch dann fiel mir ein, dass sie mich ja nicht sehen konnte und ich presste ein keuchendes »Ja« hervor.
»Ruf einen Krankenwagen! Ich komme, so schnell ich kann und fahre mit.«
»Das ist nicht nötig«, protestierte ich. »Heute ist schließlich …« Doch Conny hatte bereits aufgelegt.
»Was ist?«, fragte
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