Liebe im Gepäck (German Edition)
habe es die Küsse am Vortag nicht gegeben.
Sie hatten beide keine Lust gehabt, sich an Lukas’ Ratschlag zu halten und auch diesen Abend wieder im Restaurant des Hotels zu verbringen. Seite an Seite hatten sie die Gegend rund um das »China World« erkundet und bald das Restaurant »Asian Star« entdeckt, das mit Spezialitäten aus dem ganzen Kontinent lockte. Es war ein sehr netter Abend geworden. Sie hatten sich eine »Köstliche heiße Platte« für zwei Personen geteiltund den Koch bewundert, der riesige Teigfladen für indisches Weißbrot durch die Luft wirbelte, bevor er sie in den glühenden Ofen schob. Dabei hatten sie sich über Gott und die Welt unterhalten. Mat hatte ihr viel von seiner Kindheit erzählt, von der engen Beziehung zu seinem älteren Bruder und von dem Autounfall, der vor sieben Jahren seine Eltern das Leben kostete. Er hatte alles über ihr Leben in Frankreich wissen wollen. Und welche Eigenschaft sie an ihrem Verlobten am allermeisten schätzte. Und was an ihm so besonders war, dass sie ihn heiraten und das ganze Leben mit ihm teilen wollte.
Sie war von diesen Fragen überrascht gewesen und hatte einige Zeit nachgedacht, bevor sie geantwortet hatte: »Bertrand ist verlässlich und absolut ehrlich. Er gibt mir Sicherheit. Und er ist aus einer guten Familie.« Himmel, sie hatte wie ihre Mutter geklungen! Und dann hatte sie ihn nach seiner Frau gefragt. Und sich darüber gewundert, mit welcher Gelassenheit er ihr von Gisi und deren Liebhaber erzählte. So, als würde es ihm nichts ausmachen, wenn dieser bei ihm ein- und ausging.
»Er geht ja nicht wirklich ein und aus. Ich sehe Gisi sehr selten. Die beiden leben seit zwei Jahren zusammen. Und glaub mir, hätten wir uns schon über die Bedingungen geeinigt und hätte nicht … na ja … jedenfalls, wir wären längst geschieden. Ich habe fest vor, die Sache zu beschleunigen, wenn ich wieder zu Hause bin. Und es ist mir jetzt auch schon eine gute Idee gekommen, wie ich das am besten bewerkstelligen kann.«
»Wo ist dir diese Idee gekommen? Doch nicht hier in Peking?«
»Ganz genau, hier in Peking!«
Sie hatte es nicht glauben können: »Und wie lautet diese Idee?«
Mat hatte nur gelacht und ihr mit der Fingerspitze auf die Nase getippt: »Sind wir wieder einmal neugierig, Frau Querulin?«
Das hatte Franziska, auch wenn es ihr schwer fiel, keinesfalls sein wollen. Und da in diesem Augenblick der Kellner gekommen war, um ihren Jasmintee mit heißem Wasser aus einer kupfernen Kanne mit einem ungefähr einen Meter langen Schnabel aufzufüllen, hatte sie sich eine Antwort gespart. Und sich im Stillen gewundert, dass der Gedanke, Mat würde sich in Kürze scheiden lassen, ein so gutes Gefühl in ihr ausgelöst hatte.
Der kleine Kuss zur guten Nacht war kaum ein Hauch gewesen, und dann war jeder brav in seinem eigenen Zimmer verschwunden.
Doch im Bett, kurz vor dem Einschlafen, da konnte sie an nichts anderes mehr denken als an den Kuss, den er ihr hier, in diesem Zimmer, gegeben hatte. An das Gefühl, in seinen Armen zu liegen, seinen Herzschlag zu spüren. An die unbändige Lust, ihn anzufassen, ihre Haut an seine zu drücken. Sie wollte mit ihren Händen über seinen Körper streicheln. Sie wollte seine Hände auf ihrem Körper spüren …
Rasch hatte sie sich aufgesetzt, das Licht eingeschaltet und eine SMS an ihren Verlobten geschrieben. Eine sehr liebevolle SMS.
Harry blickte auf, als sie an den Tisch trat, und legte die Zeitung beiseite, die er mit sichtlichem Interesse gelesen hatte. Es war eine deutsche Zeitung, die einzige, die in diesem Hotel auslag. Er begrüßte sie mit einem freudigen Lächeln und schob ihr galant den Stuhl zurecht. Es war freundschaftlich, wie er sie behandelte. Ganz so, wie sie es sich gewünscht hatte. Ganz so, wie sie es sich gewünscht hatte?
Der Kellner brachte frischen Kaffee.
Franziska holte Lukes Nachricht aus der Tasche, Harry überflog sie mit einem Stirnrunzeln: »Was werden wir jetzt tun?«
Die Tatsache, dass er ihr die Entscheidung überließ, aber keinen Zweifel daran ließ, an ihrer Seite zu bleiben, beflügelte Franziskas Kampfgeist: »Wir werden auf keinen Fall im Hotel bleiben. Ich kann mir nicht vorstellen, was in Lukas gefahren ist, mir so etwas Sinnloses vorzuschlagen. Was hältst du davon, Mat, wenn wir einfach ohne Begleitung zur Kofferfabrik fahren? Ich kenne dort schließlich den Produktionsleiter Mister Wang To Min und den Leiter der Verkaufsabteilung Mister Wu Fang.«
Harry
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