Liebe im Schnee
Bauernbett. Schlafen, schlafen und köstliche Ruhe.
Der Florian kam zurück und riß sie hoch. Er schüttelte sie wie eine nasse Katze.
»Laß mich!«, sagte sie und ließ sich wieder in den Schnee fallen.
Da holte er aus und gab ihr ein paar Ohrfeigen. Links, rechts, links, rechts. Er schrie sie an: »Da kannst di net hinlegen! Du bist ja narrisch!«
Sie torkelte weiter. Fiel. Stand wieder auf. Fiel. Etwas Graues hob sich aus dem Nebel. Ein Felsen, groß wie ein Wochenendhaus. Seine obere Kante hing etwas über und bildete eine Art Dach. Der Florian stellte die Rucksäcke in den Windschatten. Sie setzten sich Rücken an Rücken und knabberten Schokolade.
»Jetzt woaßt, warum i so an großen Rucksack mitschleif’«, sagte er. Er legte seinen Arm um Kirsten und fragte: »Fürcht’st di?«
»Nicht, we ..., we ..., wenn du dabei bbbbbist.« Ihre Zähne schlugen aufeinander. Ihr Kopf sank auf die Brust, und sie wollte wieder schlafen.
»Paß auf, i woaß an Witz! Beim Förster habens Drillinge g’habt. Und der kloane Seppi hat scho’ von die Dackl g’wußt, daß man bei an großen Wurf net alle Jungen am Leben läßt. Weil dees die Dackelmutter ja net verkraft! Da hat er ganz g’scheit zum Nachbarn g’sagt, der wo in die Wiege g’schaut hat: >Den mittleren ziehn ma auf!<«
Kirsten lachte. Und diesmal gehorchten ihr die Zähne einigermaßen.
»Paß auf, kennst den scho’? Zum Pfarrer kommt an Wilddieb und sagt...«
Plötzlich war ein Stück Himmel zu sehen. Es riß auf. Die Nebelwand teilte sich. Der Florian war wie der Blitz auf den Füßen.
»Die Hütten!« brüllte er. »Die Hütten! Die Glocknerhütten!«
Hundert Meter vor ihnen lag sie. Das verwitterte Schindeldach schimmerte herüber. Sie packten die Rucksäcke und stapften darauf zu. Nach fünfzig Metern hatte sie der Nebel wieder. Doch diesmal hielt der Florian die Richtung. Aus der Waschküche hob sich ein schwärzliches Viereck. Er löste die Bindungen seiner Skier und hakte die Karabinerhaken der Fangriemen aus. Er drückte die Klinke herunter. Die Tür ließ sich nicht öffnen. Sie war verquollen. Oder zugefroren. Er warf sich mit der Schulter dagegen. Einmal, zweimal — da sprang sie auf. Der Länge nach fiel er in die Hütte.
»Hoppla!« sagte Kirsten. Sie stand hinter ihm und lachte ihn an. Er nahm sie in den Arm und gab ihr einen Kuß auf den Mund. Der Wind schlug die Hüttentür krachend zu. Sie standen in der Schwärze des Raumes und hielten sich fest umschlungen. Florian merkte, daß Kirsten immer schwerer wurde. Er strich ihr die Haare aus der Stirn und schaute sie an. Ihre Augen waren geschlossen, ihr Atem ging gleichmäßig.
Sie war im Stehen eingeschlafen.
Konsul Bremer saß in der Kaminecke des Hotels »Zur Sonne« und fühlte sich wohl. Er nippte an seinem Campari Bitter, streckte die Beine unter den Tisch und lauschte auf den Sturm, der draußen tobte. Die Buchenscheite im Kamin knackten und zischten. Er wandte sich wieder den Familiennachrichten im »Generalanzeiger für das östliche Voralpenland« zu.
Vierundsechzig war die Emerentia Hinterstoisser,
Reichsbahnoberinspektorswitwe, geworden. Kein Alter im Grunde. Jemand suchte eine stierige Kuh. Außerdem war die Stelle des zweiten Gemeindeschreibers in Irxendorf ausgeschrieben. Bewerber wurden gesucht mit guter Kenntnis der Orthographie. »Ortographieh« stand da. Außer Gehalt nach Tarif wurde »frei Holz, frei Wohnung« versprochen.
Sein Campariglas war leer. Ein zweites Gläschen vor dem Abendessen konnte nicht schaden. Er drückte auf den Klingelknopf neben ihm an der holzverschalten Wand. Halb acht zeigte die Uhr. Um sieben hatten die jungen Leute hier sein wollen. Den ganzen Tag über hatte er sich das Gesicht ausgemalt, das Kirsten machen würde, wenn sie plötzlich ihrem Vater gegenüberstände! Er rieb sich in genüßlicher Vorfreude die Hände. Mordsspaß würde das!
»Hallo, Kirsten, wie war’s? Gutes Wetter gehabt? Kommt, setzt euch, Kinder!« Dann einen Schnaps einschenken und über irgend etwas geredet. Stemmbogen oder so was. So tun, als hätte sich das Mädchen gerade vor ein paar Stunden von ihm verabschiedet.
Also das wäre die eine Möglichkeit. Und die andere? Der Konsul ertappte sich dabei, wie er laut vor sich hinsprach. Eine Merkwürdigkeit, die wir bereits bei seiner Tochter beobachten konnten.
»Sieh da, das Fräulein Tochter, was hältst du von Niederbayern? Schöne Gegend, wie, so fruchtbar, und so liebe Freundinnen überall
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