Liebe im Spiel
brachte, etwas zu ihr sagte und sie auf die Wange küsste.
Rufas Wohnung war ganz in der Nähe. Es gab eine kurze Querverbindung zur Royal Mile, eine steile Steintreppe hinauf. Edward ging hinter ihr, während sie die Stufen erklomm, bereit, sie aufzufangen, wenn sie fiele – sie mühte sich keuchend hinauf, vom frostigen Wind gepeitscht. Als sie die Wohnung betreten hatten, sank sie mit einem Seufzer der Erleichterung aufs Sofa.
»Treppen«, sagte sie und versuchte ein Lächeln. »Alles in dieser Stadt ist senkrecht.«
Seit wann schaffte Rufa keine Treppen mehr? Und wie lange mussten sie noch so tun, als wäre sie nicht krank? Edward unterdrückte den Impuls, ihr einen Vortrag darüber zu halten, dass sie auf sich aufpassen müsse. Er musste daran denken, dass er kein Regiment einwies und auch keinen aufmüpfigen Gefreiten zusammenstauchte. Im Zivilleben vertrieb die Angewohnheit, Standpauken zu halten, törichte junge Ehefrauen.
»Ich mache uns einen Tee.«
»Das wäre wundervoll.« Sie versuchte nicht einmal dagegen zu protestieren, umsorgt zu werden: ein sehr schlechtes Zeichen.
Er betrat die Küche von der Größe eines Sarges. Der Raum wies ein schmales Fenster auf, das auf einen uralten Hof hinausging, wo ein Pulk abgehärteter Japaner Fotos machte. Es erschreckte ihn zu sehen, dass Rufa die Küche nicht eingerichtet hatte. Abgesehen von ein paar Keksen war nichts zu essen da. Ihre kostbare Kochbuch-Bibliothek lag achtlos auf dem Abtropfgestell. Die Rufa, die er kannte, war hier nie wirklich präsent gewesen.
Als er das Teetablett ins Wohnzimmer trug, schlief Rufa – noch immer in Mantel und Handschuhen – tief und fest. Er rief leise ihren Namen. Sie rührte sich nicht. Edward hob ganz vorsichtig ihre Beine an und legte ihr ein hartes Kissen unter den Kopf. Er fand in einem klaustrophobischen Schlafzimmer ein kaltes Federbett, breitete es über sie und setzte sich hin, um abzuwarten, bis sie aufwachte. Lieber Gott, wie traurig sie aussah. Sie hätte nicht in diesem Mausoleum sein dürfen, ohne einen Menschen zum Reden, der sich darum kümmerte, ob sie lebte oder starb. Nicht wenn es jemanden gab, der für sie lebte und starb, wenn sie ihn nur lassen würde.
Der kurze Nachmittag verdunkelte sich, während er sie beobachtete. Als er ihr Gesicht in den Schatten nicht mehr erkennen konnte, schaltete er eine Lampe ein und zog lautlos die Vorhänge vor der Winternacht zu. Dicke Schneeflocken wirbelten im Fensterlicht umher.
Er setzte sich wieder hin und fragte sich, ob er jemals die Worte fände, ihr zu sagen, wie sehr und wie lange er sie schon liebte. Was auch immer die Klatschbasen vor Ort dachten, war es nicht geschehen, als sie ein Kind war. Als kleines Mädchen war Rufa nur eine aus der zerlumpten Brut des großen Mannes gewesen: mit Zahnlücken und mit endlos langen Beinen wie ein Füllen. In den Zeiten, die er zu Hause verbrachte, hatte er Rufa oft in seiner Küche vorgefunden, wo sie bei seiner Mutter und Alice saß und ihnen ernst half, Erbsen zu schälen oder Kuchenteige zu mischen. Erst der große Mann hatte seine Aufmerksamkeit im Laufe der Jahre auf Rufas wachsende Schönheit gelenkt. Edward hatte es theoretisch bemerkt, aber er hatte sich erst in sie verliebt, als er die Armee verließ.
Sie waren zunächst nur Freunde gewesen. Rufa hatte, anders als die anderen, bemerkt, wie sehr der Tod seiner Mutter seine Niedergeschlagenheit, sein Gefühl, vom normalen Leben abgeschnitten zu sein, verstärkt hatte – er fragte sich, ob sie vermutete, warum er während dieses langen, trostlosen Jahres so auf sie angewiesen war. Der Moment der Wahrheit war bei einem kunstvollen Picknick in Melismate gekommen, das der große Mann zu Roses Geburtstag arrangiert hatte. Sintflutartiger Regen hatte das Gelage unterbrochen, und alle hatten überstürzt Schutz gesucht. Edward hatte sich unter einem der Zeichentische wieder gefunden – neben Rufa. Er hatte ihr nasses Haar und ihr tropfendes, lachendes Profil betrachtet und konnte plötzlich benennen, was er für sie empfand. Er hatte sich in sie verliebt, und es war bereits ernst.
Er betrachtete nachdenklich ihr Gesicht, während sie schlief. Vielleicht war es nur der Weichzeichner-Effekt des Lampenlichts, aber sie schien nun etwas weniger bleich. Ein wenig Farbe war in ihre Lippen gekrochen. Edward dachte, wie so häufig, an die eine Nacht in Italien zurück, als er die Kontrolle verloren hatte. Er machte den Brandy dafür verantwortlich. Er war betrunken
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