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Liebe im Zeichen des Nordlichts

Liebe im Zeichen des Nordlichts

Titel: Liebe im Zeichen des Nordlichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen MacMahon
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werde, dachte sie. Sie glauben, dass ich sterben muss. Die anderen werden ohne mich weiterleben. Lola wird noch da sein. Bruno wird noch da sein. Hugh und Della und Simon und die Mädchen. Ihr Leben wird weitergehen, aber meines wird enden. Ich werde verschwinden.
    Die Wucht dieser Erkenntnis war daran abzulesen, wie oft sie ihr durch den Kopf schoss. So, wie man die Nähe eines Gewitters am Abstand zwischen Blitz und Donner abschätzt. Danach zu urteilen, war das Gewitter nicht mehr fern.

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    Kapitel 35
    S ie versuchte, es Della zu erklären.
    »Erinnerst du dich, wie wir als Kinder eine Münze warfen? Wenn wir etwas wirklich Scheußliches tun mussten, warfen wir eine Münze. Und wenn wir zu mehreren waren, haben wir Strohhalme gezogen.«
    Della weinte. Sie hat nicht mehr zu weinen aufgehört, seit Addie es ihr erzählt hat.
    Addie gab sich Mühe, sie zu trösten. »Schon gut«, wiederholte sie. »Schon gut.« Bis Della aufschrie: »Kannst du damit aufhören? Gar nichts ist gut.«
    »Nein«, erwiderte Addie leise. »Wahrscheinlich hast du recht. Gar nichts ist gut.«
    Sie versuchte, es Della begreiflich zu machen.
    »Erinnerst du dich an das Gefühl? Wir haben Strohhalme gezogen, und wer verlor, musste über die Mauer in den Garten der bösen Nachbarin klettern. Man wusste, dass es einen Verlierer geben würde und dass es einen selbst treffen konnte. Aber man begriff es nicht wirklich. Erst in dem Moment, als man den kurzen Strohhalm in der Hand hatte. Und dann standen alle mit ihren langen Strohhalmen da und sahen einen so schrecklich mitleidig an.«
    Della strömten beim Zuhören die Tränen übers Gesicht. Addie fühlte sich seltsam entfernt, so als sähe sie jemandem im Fernsehen beim Weinen zu. Sie war nicht sicher, ob sie Della überhaupt je weinend erlebt hatte.
    »Wie dem auch sei«, fuhr Addie fort. »Genauso ist es. Ein einsames Gefühl.«
    »Hugh«, sagte Della plötzlich. »Weiß Hugh es schon?«
    Addie schüttelte den Kopf.
    »Oh, mein Gott, wie sollen wir es ihm beibringen?«
    »Keine Sorge, ich erledige das. Es ist meine Sache.«
    »Und was ist mit Bruno?«
    Wieder schüttelte Addie heftig den Kopf.
    »Noch nicht. Erst nach der Amtseinführung.«
    Inzwischen hatte Addie das Sagen. Das musste so sein. Zum ersten Mal im Leben war sie die Anführerin, gab sie die Befehle. Ein angenehmes Gefühl. Sie wusste, dass sie es schaffen würde.
    »Macht dich das alles nicht wütend?«, fragte Della. Ihre Augen waren stark gerötet, und sie runzelte die Stirn, als versuche sie wirklich, es zu verstehen. »Ich fasse es nicht, dass du nicht wütend bist.«
    »Vielleicht wäre ich es ja«, entgegnete Addie. »Wenn ich etwas dagegen tun könnte. Aber offenbar gibt es keine Lösung. Was würde es also bringen?«
     
    Aber Della war wütend. Sie kochte regelrecht vor Wut.
    Sobald Addie fort war, stürmte sie durchs Haus und zur Hintertür hinaus, als müsse sie sich übergeben. Sie taumelte bis zum Ende des Gartens, doch als sie dort war, wusste sie nicht, was sie mit sich anfangen sollte. Sie konnte es nicht glauben, dass es wirklich geschah. Es war wie ein Alptraum. Mehr als alles in der Welt wünschte sie sich, dass all das nicht wahr sei.
    Sie setzte sich auf die Backsteinumrandung des Blumenbeets, schlug die Hände vors Gesicht und fing an zu schreien. Das Geräusch stieg aus den Tiefen ihrer Brust auf, ein schreckliches Heulen. Ihre Fäuste waren verkrampft, so dass sich die Nägel in die Handflächen gruben. Und so schluchzte und würgte sie ohne Tränen, während ihre Gedanken durch einen dunklen Tunnel rasten, wo eine schreckliche Erkenntnis nach der anderen ihr plötzlich aus der Finsternis entgegenleuchteten wie eine Neonreklame.
    Ihr Leben würde nie wieder so sein wie früher. Sie würde allein als Hughs Familie zurückbleiben und den Rest ihrer Tage als Hughs einzige Tochter fristen müssen. Sie würde seine Trauer ertragen und die Einzige sein, die im Alter für ihn da war.
    Inzwischen weinte sie richtige Tränen. Sie spürte, wie sie in ihrem Herzen entstanden, heiß in ihrer Kehle aufstiegen und ihr so heftig übers Gesicht strömten, dass sie sie gar nicht schnell genug wegwischen konnte.
    Wer war sie denn ohne Addie? Weniger glamourös, weil sie sich nicht mehr mit Addie vergleichen konnte. Weniger wild, weil sie Addie nicht mehr schockierte. Weniger interessant. Weniger geliebt. Weniger, weniger, weniger.
    Ohne Addie konnte sie nicht leben. Wie konnte Addie so einfach sterben? Wie konnte das

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