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Liebe im Zeichen des Nordlichts

Liebe im Zeichen des Nordlichts

Titel: Liebe im Zeichen des Nordlichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen MacMahon
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gestrichen als der vorangegangene. Hohe Terrassentüren führten hinaus zu einem tiefen dunklen See. Ihr weißes Kleid wehte im Wind. Sie saß am Rande eines seichten Beckens in einem gefliesten Hof voller tropischer Pflanzen und ließ die Zehen ins ruhige grüne Wasser baumeln. Ihr Rücken lehnte an einer Säule aus Stein.
    In ihrer Erinnerung ist sich Addie zwar bewusst, dass Della sich im Nebenzimmer aufhält und lesend auf dem Bett liegt. Wenn sie umblättert, ist ein Rascheln zu hören.
    »Herrje, Kind, du kriegst noch viereckige Augen.« Das pflegte das Kindermädchen zu sagen, wenn sie die Hand ins Zimmer streckte, um Licht zu machen. Meist hatte sie schon von der Küche im Keller aus nach ihnen gerufen, ohne dass ihr jemand geantwortet hätte. Also musste sie die Treppe hinaufsteigen, wobei sie immer weiter rief. Als wieder keine Antwort erfolgte, schleppte sie sich noch eine Treppe hoch, bis sie, keuchend und in gereizter Stimmung, oben auf dem Treppenabsatz stand.
    »Ihr Mädchen müsst an die frische Luft«, schimpfte sie. »Damit ihr ein bisschen Farbe bekommt.« Daraufhin sahen sie sie aus tief in den Höhlen liegenden Augen an, wie um ihr zu beweisen, dass sie recht hatte. Allerdings musste sie zugeben, dass die beiden pflegeleichte Kinder waren. Sie benahmen sich gut und machten nie Schwierigkeiten. Die armen mutterlosen Würmer, sagte sie sich. Er hat sie ausgezeichnet erzogen.
    Rückblickend betrachtet ist Addie klar, dass sie exzentrische Kinder waren. Das Anderssein ließ man ihnen durchgehen, weil niemand da war, der etwas dagegen unternahm.
    Eine Weile schien es, als hätte sich das Problem ausgewachsen. Als Jugendliche trafen sie sich mit ihren Freundinnen und telefonierten stundenlang. Die Unauffälligkeit hielt sich durch die Zwanziger. Mit dreißig war Imelda mit einem Arzt verheiratet und erwartete ihr erstes Kind. Addie hatte das Architekturstudium abgeschlossen und eine eigene Wohnung. Auf den ersten Blick betrachtet, war also alles in Ordnung.
    »Aus den Mädchen ist wirklich etwas geworden. Das muss man ihm lassen.«
    Erst vor kurzem hat Addie erkannt, dass diese Jahre dazwischen nur eine Pause waren, ein kurzer Flirt mit der Normalität. Aus welchem Lied ist diese Zeile noch einmal?
Conventionality belongs to yesterday?
Inzwischen ist Della wieder genauso schräg drauf wie als Kind, vielleicht sogar noch mehr.
    »Ich versuche, mich von den anderen Arztgattinnen abzuheben«, verteidigt sie ihren Kleidungsstil. »Die nimmt man nur als ein Meer aus Burberry und Designerjeans wahr. Die armen Kinder haben ja Schwierigkeiten, die eigene Mutter zu erkennen.«
    Es ist, als entwickle sie sich zurück und würde wieder zu dem kleinen Mädchen, das sie vor dreißig Jahren war und das sich nicht um die Meinung seiner Mitmenschen scherte. Das Mädchen, das nur in Ruhe seine Bücher lesen wollte. Della nannte das den »Alle-anderen-können-mich-mal-Club«. Mitgliederzahl: eins.
    Addie hat inzwischen auch einen exklusiven Club gegründet, dem nur Lola und sie angehören. Wer sollte sonst auch beitreten wollen? Ihre Freundinnen sind alle verheiratet. Die meisten haben Kinder. Sie trifft sie nicht mehr so häufig wie früher, und selbst wenn, fühlt es sich an, als verliefe zwischen ihnen eine vielbefahrene Straße. So laut sie auch rufen, sie können einander nicht richtig verstehen.
    Mittlerweile ist Della der Mensch, der Addie am nächsten steht. Es ist, als hätten sich alle anderen in Luft aufgelöst, als wäre nur die Familie übrig geblieben.
    Sie vermisst ihre Mutter wie nie zuvor.
     
    Della war schon wieder aufgesprungen und räumte die Tassen weg.
    »Bleibst du zum Abendessen?«, fragte sie. »Lamm mit Kartoffelpüree, überbacken, und dazu ein Glas Wein. Essen, bei dem es einem warm ums Herz wird. Komm, bleib und rette uns voreinander.«
    Sie waren gerade beim Essen, als Addies Telefon läutete. Addie hatte die erste Portion bereits vertilgt und hielt ihren Teller für einen Nachschlag hin. Die Kinder hatten natürlich nichts angerührt und quengelten wegen der Zwiebeln. Simon schimpfte, und Della meinte, dann sollten sie eben verhungern. Wegen des Radaus hätte Addie beinahe das Telefon nicht gehört. Sie griff in die Tasche ihrer Strickjacke, warf einen Blick aufs Display, erkannte die amerikanische Vorwahl und hastete hinaus, um das Gespräch anzunehmen.
    »Hallo«, sagte sie. Ihr Herz klopfte so laut, dass sie schon befürchtete, er könnte es hören.
    »Hallo«, antwortete er. »Ich bin

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