Liebe im Zeichen des Nordlichts
entgegen.
Lola ist unruhig und zuckt beim leisesten Geräusch zusammen. Man braucht nur einen Topfdeckel fallen zu lassen, und schon ist sie unter dem Tisch verschwunden und späht verängstigt darunter hervor. Sie scheint darauf zu warten, dass ein Unglück geschieht.
Addie vermutet, dass sie in ihrem früheren Leben ein Jagdhund war. Wahrscheinlich hat man sie ins Tierheim gebracht, weil sie Angst vor Waffen hatte.
»Sie binden die Hunde an«, hatte ihr der Tierarzt beiläufig erklärt, »und versuchen, die Angst vor Waffen aus ihnen herauszuprügeln.«
Addie hatte ihn mit einer Handbewegung unterbrochen. »Bitte nicht«, sagte sie, »ich kann das nicht ertragen.«
Doch man konnte Gehörtes nicht mehr rückgängig machen. Wenn man einmal etwas gehört hatte, bekam man es nicht mehr aus dem Kopf. Jetzt hat Addie das Bild vor Augen, wie Lola irgendwo auf einem schmutzigen Hof an einen Zaun gekettet ist und von brutalen Männern umringt wird.
Wenigstens haben sie sie nicht einschläfern lassen, versucht Addie sich zu beruhigen. Sie haben sie zu der Dame vom Tierheim gebracht, die ihr Bild ins Internet gesetzt hat, und so hat Addie sie gefunden. Sobald sie das Foto sah, war sie sicher. Es war die Art, wie Lola den Kopf halb von der Kamera abwandte, und ihr erwartungsvoller Blick. Da wusste Addie, dass das der richtige Hund für sie war, so als kenne sie ihn bereits.
»Ich werde nie zulassen, dass dir etwas zustößt.« Das flüstert Addie Lola nachts stets als Letztes zu, wenn sie neben ihr auf dem Schlafzimmerfußboden kauert und mit ihren gewellten Ohren spielt. Sie streicht das stachelige Fell auf Lolas Stirn glatt und küsst das Grübchen auf ihrem samtweichen Kopf.
Ein unbeschreiblich sanfter und damenhafter Hund. Lola versteht, dass ihr Gegenüber Raum braucht, sie respektiert Grenzen. Sie ist ein liebesbedürftiger Hund und stupst Addie mit der Nase am Ellbogen an, wenn sie gestreichelt werden will. Als kluger Hund liegt sie am liebsten dort am Fenster, wo die Sonne hereinfällt. Wenn die Sonne wandert, wandert sie mit. Und sie heult nie. Nicht einmal, wenn sich ein ganzer Zweig eines Dornbuschs in ihrem Schwanz verfängt oder wenn sie sich eine Glasscherbe eintritt.
Addie hat Lola jetzt drei Monate. Seit Ende Juli ist sie bei ihr. Allerdings hat es keine drei Monate, nein, nicht einmal drei Tage gedauert, sich ein Bild von ihr zu machen. Ein Blick und man weiß, dass sie durch und durch gut, treu und ehrlich ist.
Wenn das Deuten von Menschen nur auch so einfach wäre!
»Dürfen wir Lola zum Tiersegen mitnehmen?«
Elsa war am Telefon. Da sie Dellas Mobiltelefon benutzte, hatte Addie erst geglaubt, ihre Schwester am Apparat zu haben.
»Wann findet der denn statt?«
»Am Sonntag. Mum sagt, du kommst anschließend zu uns zum Mittagessen.«
»Gib mir mal deine Mum.«
Gedämpfte Geräusche, dann war Della in der Leitung.
»Ich fahre gerade Auto, also kann ich nicht lange reden.«
»Stimmt das wirklich mit dem Haustiersegen?«
»Oh, die versuchen so verzweifelt, die Kirche vollzukriegen, dass sie sogar Weihnachtsgeschenke segnen. Alles, damit der Laden nur nicht leer ist. Wir nehmen den Fisch mit. Aber wir finden, dass Lola auch dabei sein sollte.«
»Bist du sicher, dass es in Ordnung ist, einen Hund mitzubringen?«
»Letztes Jahr ist jemand mit einem Pferd gekommen.«
»Meinetwegen. Und das Mittagessen?«
»… wir dachten, wir laden euch anschließend zum Mittagessen ein. Moment, da ist ein Polizist, ich lege kurz das Telefon weg …«
»Mittagessen geht klar«, erwiderte Addie schicksalsergeben. Sie sprach ins Telefon, obwohl es auf Dellas Schoß lag. Bruno würde begeistert sein, denn er wollte unbedingt alle kennenlernen.
»Noch etwas«, meinte Della, als sie wieder frei sprechen konnte.
Addie hörte die Kinder auf dem Rücksitz streiten. »Seid ihr jetzt ruhig!«, brüllte Della. »Ich versuche, Auto zu fahren und gleichzeitig zu telefonieren.«
Stille.
»Das Krankenhaus hat die Untersuchung abgeschlossen«, sagte Della. »Simon hat Gerüchte aufgeschnappt. Das Ergebnis soll ziemlich unschön sein.«
»Oh, mein Gott. Weiß Hugh Bescheid?«
»Wahrscheinlich. Man hat es ihm sicher mitgeteilt.«
»Hat er dir gegenüber etwas erwähnt?«
»Nein.«
Sofort hatte Addie ein schlechtes Gewissen, weil sie nicht besser im Bilde war. Wenn sie mehr Zeit mit ihm verbracht hätte, hätte er es ihr vielleicht erzählt. Doch sie war jeden Abend mit Bruno zusammen. Sie machte Hugh lediglich
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