Liebe im Zeichen des Nordlichts
kaufen könnte. Die Möglichkeit, dass Bruno doch noch Schriftsteller wurde, dass er anfing, indem er einfach ein Wort nach dem anderen auf ein Blatt Papier schrieb, und dass sich diese Worte alle zusammen zu einer Geschichte verknüpften. All das erschien jetzt machbar. Und was noch wichtiger war: In diesen winterlichen Übergangswochen bestand für sie beide die Möglichkeit, glücklich zu werden.
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Kapitel 29
J edes Jahr zu Weihnachten genehmigen sich Simon und Hugh ein paar Biere. Es ist ein alljährliches Ritual, das Della stillschweigend fördert. Und es war noch nie so wichtig wie in diesem Jahr.
»Reden würde ihm guttun.«
»Worüber?«
»Die Sachen, über die ihr beide sonst auch sprecht.«
»Super«, meinte Simon. »Aber ich weiß, was du im Schilde führst. Nur, damit dir klar ist, dass ich nicht auf den Kopf gefallen bin.«
»Er vertraut dir, Simon. Vielleicht schüttet er dir ja sein Herz aus.«
»Glaubst du wirklich?«
»Bestimmt macht er sich Sorgen. Natürlich ist er zu stolz, um es mir gegenüber zuzugeben. Doch er wäre kein Mensch, wenn er sich keine Sorgen machen würde. Sein Lebenswerk ist in Gefahr. Sein ganzes Leben steht auf dem Prüfstand.«
»Ich weiß nicht, wie ich ihm da helfen kann.«
»Du bist sein einziger Freund«, erwiderte Della.
»Ach, sag so was nicht.«
»Aber es stimmt. Mit wem soll er sonst ein Bier trinken gehen?«
»Sie hat dich geschickt«, stellte Hugh fest.
Er ließ sich schwer auf den Eckplatz fallen und hielt kurz inne, um Atem zu schöpfen, bevor er sich aus seiner Jacke quälte. Dann wickelte er sich den Schal vom Hals und legte ihn auf den Stuhl neben sich.
Simon entledigte sich ebenfalls des Schals und der Mütze und stopfte die Handschuhe in die Manteltasche.
»Nun«, entgegnete er. »So würde ich es nicht ausdrücken.«
Hugh schnaubte verächtlich.
Schweigend saßen sie eine Weile da, bis der Barmann die Getränke brachte. Hugh griff in die Tasche seiner Cordhose und förderte einen Fünfzig-Euro-Schein zutage. Er bestand stets darauf zu bezahlen, und Simon gab sich stets nach einem Alibi-Protest geschlagen. Es war eine nette Geste von Simon. Er wusste, dass Hugh sich alt fühlen würde, wenn er die Rechnung nicht übernehmen durfte.
Hugh griff nach seinem Glas und trank einen großen Schluck. Der Schaum auf dem Bier hinterließ einen dicken weißen Schnurrbart auf seiner Oberlippe.
»Das Guinness ist aus dem Kühlschrank«, beschwerte er sich und wischte sich mit dem Handrücken den Mund ab.
»Der Barmann hat mir geschworen, dass es ungekühlt ist.«
»Nun, dann lügt er.«
»Ich glaube, inzwischen trinken es viele Leute lieber kalt.«
»Abgesehen von alten Böcken wie mir. Wir sind hier nicht mehr in Irland, sondern in Amerika. Ich sollte mich damit abfinden.«
Da lachen ja die Hühner, dachte Simon.
»Also«, sagte Hugh und sah Simon unverwandt an. »Ich habe im Januar einen Gerichtstermin. Und als Dreingabe noch eine Anhörung vor der Ärztekammer.«
»So etwas ist mir auch schon zu Ohren gekommen.«
»Das ist also der Lohn für ein ganzes Leben harte Arbeit.«
Hugh gelang sogar ein leises Auflachen. Er bemühte sich um eine leutselige Art.
»Eine gute Tat bleibt niemals ungestraft«, erwiderte Simon mitfühlend. »Das wissen wir ja beide.«
Sie griffen nach ihren Gläsern.
Hugh versuchte es mit einem allgemeineren Ansatz.
»Ich verstehe die Welt nicht mehr.«
Simon sparte sich die Antwort. Er zog nur eine Augenbraue hoch, um sein Interesse zu signalisieren.
»Ich hatte in den vergangenen Wochen ziemlich viel Zeit, Simon, und habe ein wenig über die Sache nachgedacht.«
Er hielt inne und trank einen Schluck.
»Umso größer die medizinischen Fortschritte, desto weiter entfernen wir uns davon, das Leben zu verstehen. Es ist, als hätte die Wissenschaft die Macht ergriffen. Für Philosophie ist kein Raum mehr. Und die Religion hat sowieso schon lange nichts mehr zu melden.«
Er schüttelte den Kopf und runzelte in gespielter Verwirrung die Stirn.
»Das macht mir Sorgen, Simon. Es ist eine beängstigende Entwicklung.«
Simon wusste genau, worauf er hinauswollte. Doch er griff aus Höflichkeit zu einer Notlüge.
»Ich glaube, ich kann dir nicht ganz folgen.«
»Damit meine ich, Simon, dass der Tod nicht mehr als natürlicher Teil des Lebens akzeptiert wird. Es gibt keine natürlichen Todesursachen mehr. Wenn jemand stirbt, muss ein Schuldiger her, den man vor den Kadi zerren kann. Und das ist in unserem Job
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