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Liebe in groben Zügen

Liebe in groben Zügen

Titel: Liebe in groben Zügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Kirchhoff
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Bühl zutrat, ihm alles Gute für den Winter wünschte, und diesmal war ihre Hand schneller als seine. Behalten Sie meinen Garten im Auge, sagte sie noch, da ging die Hand schon auf, und seine Hand zog sich zurück – er winkte damit, wie Leute von ablegenden Schiffen winken, in einem Bogen, dann lief er Richtung Hohlweg, und sie lud ihre Sachen in den übergroßen Wagen.
    RENZ brachte Vila zum Flughafen, eine wortlose Fahrt, jeder bei sich, immer dicht davor, etwas zu sagen, sich Luft zu machen, aber dann blieb es beim Atmen, stur durch die Nasen, ein Aufpassen, als drohte mit der Luft aus den letzten Tagen auch gleich das Erstickte aus Jahren mit nach oben zu kommen: Renz kannte das und hielt den Mund – alte Paare sind Archive, weh dem, der sie öffnet. Erst an der Sperre vor der Sicherheitsschleuse von ihm ein Passaufdichauf, hastig und leise, danach eine Pause, ein Atemholen, für ein noch leiseres, fast schon verschämtes Undküsskatrinvonmir, dazu eine Hand an Vilas Bauch, als sei das neue Leben auch in ihr, und von Vila am Ende eine Fingerkuppe an seinem Mund, ihre Art zu sagen, sei geküsst, jetzt und in den kommenden Tagen, den Tagen mit deiner ganz netten Begleitung. Renz sah ihr hinterher, bis sie zwischen Fremden verschwunden war, dann fuhr er zurück in seinem zu großen, zu schnellen Auto.
    Und abends das Essen mit dem Mieter, die Einladung bei Da Carlo, einer Pizzeria am Wasser mit Tischen im Freien, dem Wind ausgesetzt, für ihn, Renz, ein Nachteil, sein Haar schien davonzufliegen, während sich Bühl dem Wind sogar zudrehte, oft eine ganze Strähne im Gesicht. Franz von Assisi, sagte Renz nach dem ersten Wein, war hier mehrfach am See, auch eine Zeitlang auf der Insel, wussten Sie das? Er saß Bühl gegenüber, wie er sonst Vila gegenübersaß, aber angespannter, vorgebeugt, froh, als die Pasta gebracht wurde. Natürlich wissen Sie das, sagte er, man weiß über seine Helden immer alles, besonders, wenn sie tot sind. Mit lebenden Helden hat man es schwerer. Kennen Sie Bradley Manning, den jungen US-Soldaten? Renz schenkte Wein nach und erzählte von Manning, der ein Geheimvideo von einem Massaker der Amerikaner in Bagdad weitergegeben hat, das Hasenschießen aus einem Hubschrauber auf Unbewaffnete samt Witzen über die Sterbenden auf der Straße, er hatte das Video im Internet gesehen, Bradley Manning war ein Held für ihn, ein Fernsohn, um den er bangte. Und mein Jugendheld, sagte er, war Buddy Holly. Ich hörte stundenlang die Hymne auf seinen Tod bei einem Flugzeugabsturz. Zuerst ein Wolfsgeheul des Sängers, bevor die Welt, begleitet von zarten Gitarren, Abschied von Buddy nimmt, umgekommen, als es schneite und Wind blies. Snow was snowing, wind was blowing, eine Tautologie, die mich auf Anhieb berührt hat. Und immer, wenn der Name Buddy Holly fiel, im Grunde auch eine Tautologie, wollte ich mich so leicht wie er zwischen Liebe und Sex bewegen, der Spagat der frühen Sechziger, zu dem seine Brille gepasst hat, ihr schwarzer, weiblich geschwungener Rahmen! Renz winkte einem Kellner mit Pferdeschwanz, er ließ sich die Rechnung bringen und zahlte. Und Ihr erster Held?
    Ein Freund, sagte Bühl, als sie schon aufgestanden waren, am Wasser entlang zum Hafen gingen. Wie wär’s mit einem Abschlussgrappa? Renz wollte noch nicht nach oben, nicht allein sein. Grappa, sagte er: unser Getränk, wenn wir nachts auf dem See sind, Musik hören, die unsere Tochter heruntergeladen hat. Auf einer CD ist alles, was man auf einem Boot braucht, wenn man sich bald dreißig Jahre kennt. Wir trinken und singen manchmal auch mit. Capri c’est fini. Senza fine. Il mondo. Gira, il mondo gira. Langweile ich Sie? Renz sah auf die schaukelnden Masten im Hafen – sein Mieter war Zuhörer, eine Sorte Mensch, die ihm nicht geheuer war. Seltsam, dass wir uns nie in Frankfurt begegnet sind, uns vom Sehen kennen, meine Frau konnte sich auch nicht erinnern. Oder sind wir Ihnen aufgefallen? Wir gehen oft essen ins Bella Donna, wir kaufen beim Metzger Meyer ein – Sie haben schon Sachen in unserem Kühlschrank, warum bleiben Sie noch im Hotel? Wir haben zwei Gästezimmer, Sie stören nicht, wenn ich mit meiner Besucherin arbeite. Sie kommt morgen mit der ersten Nachmittagsfähre, ich hole Frau Mattrainer ab, dann können Sie mit nach oben fahren, ja? Renz hielt sich wieder das Flatterhaar; Bühl stellte sein sachtes Zuhörernicken ein. Zur ersten Frage, Bella Donna, Metzger Meyer: nicht meine Orte. Außerdem war ich tagsüber

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