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Liebe in groben Zügen

Liebe in groben Zügen

Titel: Liebe in groben Zügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Kirchhoff
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Schach gehalten von dem Haar, dem Mantel, der Art, sich ihr Gerät vorzunehmen. Bühl hatte sie dann geküsst, wie es nur einer kann, der keine Angst vor Wunden hat, vor Blut, Innereien, Organen, und auch keine Angst vor engen geschlossenen Räumen, ein anderes, erlösendes Verschmelzen, unendlich weit weg von ihrem Frankfurter Leben. Und schließlich kam er in ihr, ein Glück wie mit Händen zu greifen: nein, sie hatte es mit Händen gegriffen, seinen nassen heißen Kopf gehalten. Und jetzt? Erst nach Minuten – ihr Atem hatte sich beruhigt, und aus der Wirtstube ein Sprechgesang, Narri narro – kam diese Frage, und sie sah in sein nahes Gesicht. Jetzt? Jetzt gehen wir dort unten etwas essen, sagte sie. Alles, was wir wollen! Nur leichter gesagt als getan, jedes Gericht auf der Karte klang gut, sie nahm einen Zwiebelrostbraten, den sie zu Hause nicht anrühren würde, er bestellte sich Zander, vorher gab es Salat mit Speck, dazu Wasser und Grauburgunder. Und die Wirtsstube, eine wahrliche Stube, kaum größer als der untere Wohnraum im Haus, und zwischen einem Kachelofen und dem kupferbeschlagenen Tresen eine Ecke mit rundem Tisch, der Herrgottswinkel, wenn man das Kruzifix im Eck ernst nahm, an dem Abend auch Platz der Singenden. Feuerwehrleute, erklärte der Wirt, die halbe freiwillige Feuerwehr von Unterried. Ein Vorfeiern, damit sie am Sonntag, wenn die andere Hälfte an die Reihe käme, nüchtern wären. Sechs Mann saßen um den Tisch, die älteren mit echten Bärten, die jungen mit aufgemalten, einer kam sogar herüber und stieß mit ihr an, Bierglas mit Weinglas. Später kommt noch jemand, hatte Bühl nach dem ersten Schluck gesagt, ein kurzer Schrecken, sie wollte ihn mit keinem mehr teilen, letztlich teilte sie ihn schon mit Renz, mit Katrin, ihrer Arbeit, seiner Arbeit: mit Franz von Assisi und Klara teilte sie ihn, und nun auch noch mit Spiegelhalter. Aber der war dann nach ein paar Gläsern mit den Feuerwehrleuten weitergezogen, er kannte sie alle, die älteren noch aus der Schule, für ihn der Halt in Unterried, einen anderen hatte er nicht mehr. Sein Institut war erledigt, ihm war nur der schweißsaure Anzug aus dem Café Francesa geblieben; vier Flaschen Matusalem und ein Kistchen mit Cohibas hatte noch der kubanische Zoll eingesackt. Warum erledigt, fragte sie, und die Antwort kam erst, nachdem Spiegelhalter mit Kirschwasser auf Hauptmann Kampe hatte anstoßen lassen, Viva el Capitán!, eine Antwort schon im Aufbrechen und doch eine Art Vortrag, obwohl die Dinge im Kern ganz einfach lagen. Das Institut war in seiner Person mit ausgewiesen worden, weil es nur als Idee existierte, entstanden an dem Tag, als ein deutscher Nobelpreisträger in Havanna auf Spiegelhalters Bitte die Institutsgründung in einem Interview mit dem seriösesten heimischen Fernsehsender bekannt gab, seitdem flossen Mitgliedsbeiträge. El Instituto Fichte, rief Spiegelhalter noch, verabschiedet sich jetzt, helau! Und damit verschwand er im Kreis der halben freiwilligen Feuerwehr von Unterried, die keine Idee war, weil vor dem Adler ein roter Spritzenwagen stand, den hatte sie mit Bühl bestaunt, als sie nach dem Essen noch an die Luft gingen, sie an seiner Schulter hing und sich stützen ließ nach Wein, Bier und Kirsch. Bring mich ins Bett, hatte sie an dem früheren Klostergarten mit den eng an eng schlafenden Lamas gesagt, Bring mich ins Bett, auch ein Proviantwort.
    Der Zug hielt in Mannheim, die Frau mit dem sinnlos hübschen Mund, wie isoliert durch alles Übrige, verließ das Abteil, Guten Tag, sagte sie, ihre ganze Rede, nicht zu beantworten, auch nicht durch absurdes Winken, als sie neben ihrem Fenster noch einmal auftauchte. Dann fuhr der Zug auch schon weiter, und sie hatte das Abteil wieder für sich und könnte ungestört mit Bühl telefonieren, nur war es dafür zu früh, keine drei Stunden nach dem Abschied; außerdem war er noch einmal in dem Heim, das hatte er so geplant, morgen wollte er zurückfahren, an den See, in ihr Haus. Also hörte sie nur die Mailbox ab, mit einer Nachricht von Renz, Renz in Berlin, um Kilian-Siedenburg zu treffen, sich vom Runden Missbrauchstisch erzählen zu lassen. Ob sie sich gut erholt habe im Schwarzwald, nichts als diese arglose Ehemannfrage.
    Nein, hatte sie nicht. Lieben ist Schwerarbeit, sie war fertig nach drei Nächten fast ohne Schlaf, nur Wächterin eines anderen Schlafs, Bühl hatte neben ihr geatmet, in der zweiten Nacht so flach wie ein Kind. Und dazu noch der

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