Liebe in groben Zügen
lauter Wünschen, und Renz merkt davon nichts. Man liebt letztlich allein: die Summe ihrer Lektionen mit ihm. Und man bleibt auch allein dabei jung, nur nicht der Teil an Renz’ Seite. Seit der Nacht, in der Katrins Mail kam, Um es kurz zu machen: Ich bin im vierten Monat!, wird sie neben Renz älter. Und dass ihr Enkelkind dann nicht zur Welt kommen durfte, das hat daran nichts geändert: Sie ist die Mutter, die es nicht verhindern konnte. Oder verhinderte Großmutter, die sich in eine Liebe gestürzt hat, wie die noch junge Frau, die sie vorher war, in irgendwelche Abenteuer. Nicht so oft wie Renz, aber oft genug, um ihn zu ertragen. Er fragte sich nie, mit wem er im Bett lag, sie schon. Er war mit Verführen beschäftigt, sie mit Abwägen. Soll ich, oder soll ich nicht, ist es diese Stunden wert. Es ging ja doch nur um Stunden, auch wenn es manchmal Nächte waren, geklaute Stunden in einem Hotelzimmer mit kleinem Fernseher an der Wand. Oder in einer fremden Wohnung, aber im Bad die bekannten Cremes und Lotionen – arme Schwester, ich wasche mich für den deinen. Dann schon lieber ein Hotel am Bahnhof. Oder ein nächtlicher Strand, das war auch einmal vorgekommen, Renz sogar in der Nähe. Und da gab es kein Abwägen mehr, nur die Idee, ihn zu treffen. Also zog sie mit dem Seriensaurier Maiwald nach einem langen Abend in Alcudia an den Strand. Sie hatten den letzten Drehtag einer Scheißmallorcaserie gefeiert, Der Villenkönig, Maiwald als Makler von Edelobjekten, ein Sommer-Zeus mit kurzen Beinen und Stirntuch. Sie haben getanzt, während Renz die Praktikantin vom Villenkönig auf dem Schoß hatte, alles nur Spaß, hoppe hoppe Reiter, später sehn wir weiter. Mach du nur, sagte sie, ich drehe dann auch durch. Sie ist nie durchgedreht bei solchen Festen, jetzt wollte sie es nachholen mit einem, den Renz zum Kotzen fand. Maiwald, der aussah wie ein Ex-Fußballer mit Bauch, aber seinem alten Unschuldslachen nach jedem Foul. Und genau dieses Lachen mochten die Leute, sein Kapital beim Fernsehen. Und an dem Abend. Sie hat sich am Strand von ihm küssen lassen, das konnte er sogar. Und jetzt? Ihre Worte, nicht seine. Und er wollte dann alles und bekam es nicht hin nach der Trinkerei und hat sie geradezu angefleht, ihn irgendwie zu erlösen, kniete vor ihr im Sand – ich gebe mich in deine Hände, Vila! Er war kurz davor zu weinen, damit wollte sie nichts zu tun haben. Aber mit Renz quitt sein wollte sie, wenigstens für einen Abend. Also gut, hinlegen. Wie ein böses, verdorbenes Mädchen hat sie ihn behandelt, ein Mädchen, das eigentlich nur Liebe wollte, Frieden, einen Mann, der sie festhält. Und stattdessen Maiwalds Schwanz. Aber das musste sein. Wie vorher der Galerist aus Berlin, nur dass es mit ihm beim ersten Mal aufregend war. Und später David, der jüdische Fotograf, auch Berlin, das war sogar im Ganzen gut. Da hat sie keinen Krieg gegen Renz oder sich selbst verloren, da hat sie nur gewonnen. Jede Stunde in dem Atelier ein Gewinn. Und warum war dann Schluss? Weil es sonst alles kaputtgemacht hätte, ihre kleine Familie, Katrin im letzten Schuljahr. Danach kam nur noch einer, wieder eine stille Kampfhandlung, um sich selbst zu beweisen, Jan, ein Aufnahmeleiter, eingesprungen für ihren üblichen Aufnahmeleiter, als der eine Babypause nahm. Und dann auch noch eingesprungen für Renz, vier- oder fünfmal nur, zuletzt in einem Parkhaus in seinem Volvo Kombi. Er hatte eine Regenplane über den Wagen gezogen, und sie hatten es auf der Rückbank gemacht. Weil zu wenig dagegen sprach. Und etwas zu viel dafür. Jan schwärmte für sie. Er machte dauernd Handyfotos und gab ihr Kitschnamen, aber auf einem gewissen Niveau. Mitternachtsvenus. Fee der besten Stunde. Oder Vila von Milo, sagte er auch im Spaß. Nur für sie war es Ernst: Welche Frau will keine Venus sein mit Ende vierzig. Also war sie Jans Venus. Seine beste Stunde, seine Fee. Was er wollte. Er hatte Charme und war als Mann etwas schüchtern, sie konnte ihm darüber hinweghelfen. Nur nicht über seine Schuldgefühle. Die arme Moni, die gute Moni, Moni, die leider nicht stöhnte im Bett, ein stummes Seepferdchen. Dann bring es ihr bei, sagte sie beim Anziehen der Strumpfhose. Und lass mich, geh nach Hause! Und er ging. Eine Stunde später saß sie mit Renz am Tisch, völlig ruhig. Die Lust ist nichts. Aber mit Bühl ist es eine Lust auf Liebe, und das ändert alles. Renz glaubt, die Ehe sei ein Puzzle, man brauche nur viel Geduld, dann käme am Ende auch
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