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Liebe in groben Zügen

Liebe in groben Zügen

Titel: Liebe in groben Zügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Kirchhoff
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war, ein schwüler Tag, und heute versteht sie es und wüsste noch immer nicht, wie man daraus die Szene macht, in der eine Frau nicht einfach zittert und Ich friere! ruft. Und eine andere hat sich immer wieder in die Hand gebissen, jung und mit Schultern, in denen sich die Kraft gesammelt hatte vor jedem Biss. Sie kämpft gegen die Lust an, hat ihr die diensttuende Ärztin erklärt, gegen ein Begehren aus Hass. Was für Wörter. An ihrem ersten Sonntag in diesem Spezialbett mit Geräten am Kopfteil, damit die Atemluft nicht ausbleibt und ihr Herzschlag bis ins Schwesternzimmer dringt, hat sie sich abends vorgestellt, wie Renz hereinkommt, wortlos, und die Bettdecke zurückschlägt, ihr die Schlafanzughose auszieht und das Gesicht zwischen ihre Schenkel legt, seinen Mund an die Schamlippen, und sie hat sich nicht in die Hand gebissen, im Gegenteil. Und danach wieder das Frieren, und sie musste weinen. Erst ein Zittern vor Lust, dann vor Kälte und Heulerei, ein Klischee, und die Kunst in einem Film wäre es, das vergessen zu lassen, sie wird Renz daran erinnern. In dem Missbrauchsbuch muss ein Sonntagabend her, die Agonie in einem Heim. Sie griff in ihre Nachttischlade, dort lagen eine Tafel Schokolade statt Zigaretten und ein Handspiegel, den nahm sie und sah sich an. Ihr Mund war immer noch schön, unversehrt, der Mund, mit dem sie schon als Mädchen Erfolg hatte, Küsse im Schulkeller, und als sie im ersten Semester war, Küsse am Ossiacher See, ein stiller sehniger Junge, das weiß sie noch, sein Küssen wie eine liturgische Handlung: etwas in der Art hat sie auch nie ins Fernsehen gebracht. Dafür immer wieder Küsse wie die mit Renz, älterer Mann und jüngere Frau, am besten in einer Komödie, Küss mich, wenn die Milch kocht: diesen Titel wollte sie immer bringen, hat ihn sogar schützen lassen. Sie hat an jeden Müll geglaubt, an jeden. Aber sich um ihr Kind gebracht, die einzige gute Geschichte, die sie je mit angeschoben hat. Kill your darlings. Sie war sogar mehr dafür als der Vater. Cornelius hatte noch geschwankt, da lag sie schon auf dem Tisch. Wenn Sie aufwachen, ist alles vorbei! Richtig. Danach hatte sie eine Spirale, bis zur Scheidung. Dann nur noch weiche Methoden. Erst mit Renz hat sie es wieder so getan, wie die Natur es vorsieht, ohne Folgen. Oder nur mit Folgen, die keiner bemerkt, unverfilmbaren. Für Liebe ist die Musik zuständig; schon bei Worten wird es grob, und alle Bilder sind ungenau, je mehr Pixel, desto ungenauer. Sie müsste auch Zähne putzen, bevor Renz kommt. Oder sollte etwas essen. Ihr Magen ist leer, da riecht man aus dem Mund. Und Renz ist verwöhnt mit einer attraktiven und klugen Frau, wie oft hat sie der zugesehen bei den Mitternachtstipps. Und hätte ihr sagen können, dass damit vorzeitig Schluss sein kann. Genau wie mit dem Leben. Man stirbt ein Stück, wenn man seine Sendung verliert. Und stirbt noch mehr, wenn eine Jüngere damit weitermacht. Darüber ließe sich vielleicht reden hier in dem Zimmer. Im Bett hat sie immer einen Mann gebraucht, aber am Bett braucht sie eher eine Frau. Sie hat keine Freundin für solche Fälle, noch ein Versäumnis. Und mit Renz’ Frau, das würde kaum funktionieren. Oder was könnte sie ihr sagen? Ich wollte nie, dass Ihr Mann sich von Ihnen trennt, ich wollte nur ein Stück abbekommen von seinem Verlangen nach Zärtlichkeit, da haben Sie ihn etwas vernachlässigt in den letzten Jahren, nicht wahr? Und Renz’ Frau oder Vila würde ihr mit schwachem Kopfnicken sogar recht geben. Erst nach einer Pause käme sie damit, dass sie genauso vernachlässigt wurde, zu wenig bekam und darum auch zu wenig gab, nur was war zuerst, wo muss das Komma hin? Das ewige Thema in langen Ehen, die Interpunktion, selbst in ihrer Ehe, die keine lange war, neun Jahre immerhin, nach ihrer Rechnung, war das die Frage: Wo begann die Gleichgültigkeit. Natürlich auf seiner Seite, würde sie sagen. Cornelius zählt zu den Männern, die alle Register ziehen, wenn sie um eine Frau werben, aber dann schlappmachen. Auch wenn er sie bei ihrer Karriere gepusht hat, du schaffst das, Marlies. Und sie hier besuchen will trotz seiner Angst vor allem Kranken. Je mehr ein Mann taugt, desto größer seine Widersprüche, darauf könnte sie sich mit Vila einigen. Womöglich wären sie zwei klasse Frauen in diesem finalen Zimmer, die eine hat den Job verloren, die andere wartet auf ihr Ende, aber keine springt aus dem Fenster – warum hat sie nie auch nur eine Sekunde an

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