Liebe in groben Zügen
Campo, Dinge, die etwas Unsagbares hatten und dennoch zur Sprache drängten: in ihrem Kopf die Sätze, die Renz zerstören würden, nicht sofort, nur nach und nach. Sie tranken Weißwein mit Eis, Renz zerhackte die Würfel. Und ist mit dem Wagen alles in Ordnung, gab es die passenden Schuhe in Verona? Fragen, die er schon zum zweiten Mal stellte. Ja, sagte sie, auch zum zweiten Mal. In Verona war sie also, um für das Fest passende Schuhe zu finden, während er tatsächlich auf dem See war, eine Bootstour, um zu angeln; und er hatte auch, als er kurz nach ihr zurückkam, ein Dutzend Sardinen in seinem Eimer – der stand noch auf der Terrasse, fast wirklicher als alles, was sie erlebt hatte.
Sie war pünktlich, sie kannte den Anstieg ja, gut zwanzig Minuten von Marniga aus, dort hatte sie den Jaguar geparkt, und natürlich kam sie nach der Kletterei schweißnass an bei der Kapelle, nass auch ihr Haar, glühend das Gesicht, und der Empfang mit einer kalten Flasche Pellegrino und einem großen weißen Handtuch. Die nächsten Minuten dann schon unglaublich, Bühl zieht sie in die Kapelle und schiebt einen Plastikstuhl unter die Türklinke, dass keiner herein kann, dazu kommt noch ein schwerer Stein vor die alte Holztür, extra hergeschafft, sagt er. Die zwei Fenster sind kein Problem, sie liegen zu hoch, um von außen hineinsehen zu können, kein Problem auch der Steinboden, Bühl hat ein Badetuch aus seinem Rucksack geholt, außerdem weitere Flaschen Pellegrino, zwei, drei, vier. Du kannst duschen, sagt er, willst du duschen? Und sie will es, will sich ausziehen, möchte duschen, ihren Schweiß abwaschen, auch den von der Fahrt in Renz’ Wagen, der keinen Kratzer bekommen durfte. Sie wirft ihr Häufchen Kleidung auf die Altarstufe aus Stein, und Kristian – plötzlich wieder sein Muranoglasname, hier auf ihrer Hausterrasse, nicht dort in der Campokapelle – lässt das kühle Pellegrino über sie laufen. Und deine Schuhe, die hast du also bekommen, fragte Renz wieder, der dritte Anlauf, und sie holte ein Paar, das sie am Ende des Abends noch schnell gekauft hatte, spitz und lachsrot, in einem Laden, den Katrin als Kind liebte, weil es dort alles gab, von Gummitieren bis zu Haarspangen, Weltmode stand noch immer auf Deutsch über dem Eingang. Die hier, sagte sie, und Renz wollte, dass sie die Schuhe anzieht, und sie zog die Schuhe für ihn an, obwohl sie sonst nichts anhatte, wie Stunden zuvor, und er fand sie sehr veronamäßig. Wirklich schön, sagte er, willst du noch Wein?
Ja, wollte sie, nur ohne Eis, den reinen Wein, den sie lieber trank, als ihn Renz einzuschenken, weißt du, wo ich war, woher diese Schuhe kommen? Sie kommen aus der Weltmode in Magugnano, vorher war ich dort in unserer alten Guily-Bar mit Kristian Bühl essen. Und davor sind wir in der kleinen Kapelle von Campo, er war schon da, ich bin hinaufgestiegen in der Hitze, am Ende schweißnass. Und was macht er? Gekühlte Flaschen Pellegrino aus einem Rucksack holen, sagen, ich soll mich ausziehen, duschen. Und ich ziehe mich aus in der Kapelle, deine Frau, die diesen Monat noch dreiundfünfzig wird, und er lässt das Wasser aus den Flaschen über mich laufen, ohne ein blödes Wort, nichts von Erwachsenentaufe, nichts von Wie fühlt sich das an, tut es gut?, nein, er lässt das Wasser nur in mein Haar laufen, über die Schultern, den Rücken und die Beine, er hebt meine Arme, wäscht mir die Achseln, er öffnet die nächste Flasche, kühlt meine Brüste und den Bauch, er kennt sich aus, er weiß es zu verteilen, das Wasser, und als drei Flaschen geleert sind, hüllt er mich in das Badetuch und trocknet mich ab, während eine Schwalbe durch die Kapelle schießt, die kleine Beigabe, aber auch darüber kein Wort. Dein komischer Heiliger, wie du ihn nennst, bietet mir einen Platz in der Kapelle an, er hat dort ein Tuch für mich ausgebreitet. Bevor ich es vergesse, sagt er und holt aus einer Seitentasche seines Rucksacks die zwei Gide-Tagebücher, ich hatte sie ihm gebracht, ohne dich zu fragen, und er hat sie in Zeitungspapier eingeschlagen, damit sie keine Flecken bekommen. Er schiebt sie in meine Tasche, die Tasche, die ich für Verona dabeihabe, und erst dann zieht er sich auch aus, schnell, nüchtern, Hemd und Hose, und legt sich zu mir. Seine Haut ist trocken und kühl, sie schmeckt nur etwas salzig, aber das stört mich nicht, Renz, im Gegenteil. Ich küsse seinen Hals, seine Ohren, die Stirn, erst zuletzt den Mund, als er schon in mich
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