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Liebe in groben Zügen

Liebe in groben Zügen

Titel: Liebe in groben Zügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Kirchhoff
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zweite Heldin seiner Ethik-Stunden, im Alter von vierundzwanzig in sich zusammengefallen. Eine Liebende, die nicht lieben konnte und an ihrem einzigen Geliebten, Gott dem Unfassbaren, irrewurde – was auch entgegengesetzt hätte laufen können bei ihrer Begabung: ein Gedanke im Hohlweg. In Paris zur Welt gekommen, wäre Thérèse womöglich Dichterin geworden, eine Heilige ohne Gott wie Gertrude Stein, fast im selben Jahr geboren, achtzehnhundertdreiundsiebzig, und die Summe ihrer Erfahrungen hätte Solo amor basta geheißen. Teresa und Thérèse hatten natürlich auf keinem Lehrplan gestanden, so wenig wie Franz von Assisi, aber das war ihm gleichgültig. Und er hatte seine Heldin Nummer zwei dem Dutzend Gelangweilter im Ralph-Lauren-Zeug einfach als schrägen Star präsentiert, als Girlie, das nach dem Tod vom Himmel Rosen auf die Erde streuen wollte: am Ende nur eine andere, stumme Art zu sagen, eine Rose sei eine Rose sei eine Rose. Er erreichte das Haus, bei ruhigem Atem, und schloss die Tür auf, im Flur schon der Koffer für Havanna – erst ein einziges Mal hatte ihn bisher eine Göttin umarmt, vor vielen Jahren für Minuten, blond, mit japanischen Lidern, sonst nur falsche Götter.
    TU , was du musst, vila: eine ungelöschte Nachricht, auf die Renz zweimal am Tag einen Blick warf, vor dem Frühstück, wenn Marlies im Bad war, und nachts, wenn sie Mails durchging, als die Person, mit der er unterwegs zu sein vorgab, um das Konzept einer Serie rund um seinen See zu entwerfen. Tu, was du musst, falls du dazu imstande bist: den Nachsatz las er mit, obwohl nichts davon auf dem Display war, Vilaworte, die er im Ohr hatte, dazu ihr helles Lachen, während seine Begleiterin nur mit ersticktem Atem lachte oder ein schwieriges Lächeln zeigte, wenn er beim Essen von Vila anfing, der Suche nach ihrer schwangeren Tochter, um sich und ihm das Enkelkind zu erhalten, ihm, der eigentlich bei ihr sein sollte, aber stattdessen – und davon kein Wort bei Tisch – in Assisi saß, mit einer Producerin, die keine drei Stunden am Tag diese Rolle ausfüllte und ansonsten die Frau war, die seit ihrer Ankunft am See und vielleicht auch schon vorher auf seiner Seite stand, ohne dass er sagen könnte, warum: bei einem Vierteljahrhundert Differenz zu ihm.
    Zwei Tage waren sie jetzt in Assisi, zwei Tage fast nur Regen, und auf einmal warm die Nachmittagssonne. Die letzten Blüten an den Oleanderbüschen zwischen den Häusern sahen aus wie lackiert, und die alten Mauern hatten in sich etwas Glühendes; selbst auf Marlies’ Wangen, sonst von der Blässe einer geheimen, immer bekleideten Haut, lag eine Spur Farbe. Sie hatten sich die Basilika angesehen, die Decke mit den Giotto-Fresken, alles in neuem Glanz, die Arbeit von Jahren, nachdem Teile der Kuppel eingestürzt waren. Ein Erdbeben: Renz’ knappe Erklärung, während sie nach oben blickten, er dicht hinter Marlies, die Hände an ihren Schultern. Mehr sagte er dazu nicht, auch wenn ihm mehr auf der Zunge lag, als sie das Stück von der Basilika zum Hotel gingen, ein Schlendern in der unverhofften Sonne – das Hotel, in dem er zur Stunde des Bebens mit Vila im Bett war, am Fußende Kasper, wie ein Bewacher ihres Tuns. Sie liebten sich an diesem Mittag, Auge in Auge, statt den Blick auf die Fresken zu richten und mit den anderen Opfern von Gesteinsbrocken erschlagen zu werden, die erste Reise ohne Katrin, die als junge Austauschschülerin Amerika entdeckte. Ein später, noch warmer Septembertag, und die Umarmung ging über in Halbschlaf, aufgestört von Kaspers Bellen und einem Wandern des Betts auf schwankendem Boden, aber erst als Putz von der Decke fiel, weiß wie Mehl, und auf Vilas nassem Rücken liegen blieb, kam ihm das Wort Erdbeben. Und nun also die restaurierten Fresken, ihre Farben strahlend, rein; mit dem Kinn in Marlies’ Haar hatte er nach oben gesehen und dabei plötzlich die Vorstellung, dass erneut alles einstürzen könne und ihm die Konsequenzen aus dieser Reise erspare. Die Pfützen glänzten in der Sonne, die ganze an den Berg gedrängte Stadt hatte etwas Schimmerndes, Verjüngtes durch das Licht. Seine Begleiterin rauchte schon wieder, nicht weit von der Stelle, an der Kasper umkam, eine Frau in leichtem Mantel, die Wangen anziehend weich, aber mit feinen Falten darin, auf versteckte Art desolat wie er selbst, und er begann zu begreifen, warum sie von Anfang an auf seiner Seite war: weil sie sich damit auf eine ganz bestimmte Seite schlug, eine, die Vila

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