Liebe in groben Zügen
über Franziskus, alles, was Bücher und Internet hergaben, im Grunde nicht viel. Schon das Geburtsdatum: ungenau. Um elfhundertzweiundachtzig soll der spätere Franziskus als Sohn des Pietro di Bernardone in Assisi zur Welt gekommen sein, in Abwesenheit des Vaters, der in Südfrankreich Stoffe einkauft. Das Kind bekommt von der Mutter den Namen Giovanni, nach Johannes, dem bedeutendsten Heiligen, doch der Vater lässt es nach seiner Rückkehr umtaufen, auf Francesco, Referenz an die begehrten französischen Modestoffe, denen Bernardone sein Vermögen verdankt. Dem Heranwachsenden fehlt es an nichts, aber statt die Nachfolge des Vaters als Kaufmann und Geldverleiher anzustreben, will er mit väterlicher Hilfe lieber ein Pferd und eine teure Rüstung; das ritterliche Herz für die Armen und genug Mut hat er selbst, dazu die Lebenslust.
Kaum erwachsen, fünfzehnjährig, zieht Franz schon nachts durch die Stadt mit Freunden, ist Tänzer, Sänger, Mädchenumgarner, Sommer für Sommer. Aber das reicht nicht für einen Ritter, also zieht er mit den Freunden auch in den Krieg, den gegen das verhaßte Perugia; auf die blutige Niederlage folgen ein Jahr Kerker und eine schwere Krankheit mit Fieberträumen von Wohntürmen voller Waffen. Pica, die Mutter, pflegt ihn, sie flüstert ihn gesund und sät ein neues, tieferes Fieber. Und noch wacklig auf den Beinen, will Franz das gewohnte Leben wieder aufnehmen, aber in seine Träume hat sich eine Sehnsucht gemischt. Und mit dreiundzwanzig, bei einem Ritt in die Ebene vor der Stadt, trifft er auf einen Aussätzigen und tut, was ihm bisher am widerwärtigsten war, er küßt dem Kranken die Schwären und läßt sich als Dank von ihm küssen. Wenige Tage später wiederholt er das nicht für möglich Gehaltene im Aussätzigenhaus, verbunden mit einer Geldspende an jeden, eine Erfahrung, die ihn aus dem Bann des Vaters holt. Er verläßt die Stadt, aber der väterliche Zorn verfolgt ihn, und so kehrt er zurück, stark genug, sich zu stellen. Er tritt nackt vor den Bischof von Assisi und eine Gerichtsversammlung, einberufen vom eigenen Vater, der sein an die Armen verschleudertes Geld zurückfordert, und in seiner Nacktheit macht Franz mit heller Stimme folgende Erklärung: Bis jetzt habe ich den Bernardonis meinen Vater genannt. Weil ich mich nun aber entschlossen in den Dienst Gottes stellen will, gebe ich jenem das Geld, das ihn so in Unruhe bringt, und alle Kleider, die ich je durch ihn besessen habe. Und von heute an werde ich sagen: Vater unser im Himmel, nicht mehr Vater Pietro di Bernardone.
Eine kurze Nacht, nur bis zum Morgenläuten von der Kirche; beim Frühstück wieder Bach, dann ein Arbeiten im oberen Stock, Stunden an Vilas kleinem Schreibtisch. Und mittags ein weiterer Anruf, Vila gerade aus dem Bett gekommen für ein Meeting mit ihrem Exildeutschen. Meine ganze Hoffnung hier, erklärte sie. Und nun zu uns: Havanna ja oder nein? Sie holte geräuschvoll Luft, eine Pause wie gestaute Leere – ein Wort, und alles würde sich vollsaugen. Dann ja, sagte Bühl, fast das Ende des Gesprächs. Vila rief noch Mein Gott! und musste auch schon los, um ihren Scout in der Halle zu treffen, er rief noch, dass er nach Flügen schaue, was er auch schon am Nachmittag tat, und nicht nur das. Er buchte.
Alles Langsame, Schwierige findet im Kopf statt, der Rest ist ein Mausklick; und der Schirm heller als der Nachmittagshimmel. Es war Herbst geworden am See, am frühen Abend schon Dunkelheit, klamme Luft. Als Bühl zum Essen in den Ort ging, trug er wie die Einheimischen eine Steppjacke, die er im Haus gefunden hatte; sie gehörte Renz und war von Paul & Shark, während die Jacken der Dorfbewohner, die sie auch im Lokal anbehielten, aus dem Shopping Center Affi an der Autobahn kamen. Er hatte noch drei Tage bis zum Abflug in Mailand, und seine Vorräte waren aufgebraucht, also musste er im einzigen Alimentari, der nach Ende der Saison nicht geschlossen hatte, einkaufen. Der Laden in der Hauptgasse ein Gewölbe, so eisig, dass der Inhaber zwei Steppjacken übereinander trug, ein früh ergrautes Männchen mit Madenaugen, das an der Seite einer alten Mutter Schinken oder Käse schnitt und dann zur Kasse eilte, um in anderer Eigenschaft, als Kassierer, die Sohnespflicht zu erfüllen. Der Laden führte alles, was man in kalter Jahreszeit braucht, auch Kerzen und Taschentücher und Kohle in Papiersäcken, dazu die Weine und Grappas der Gegend. Bühl kaufte Pecorino, Salami, Eier und Brot, etwas
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