Liebe in groben Zügen
Stromausfall, Renz ging die Möglichkeiten durch, mit dem Rücken zu einer Frau, die Krebs hatte: auf einmal doch dieses Wort, und als hätte er es laut gesagt, kam ihre Hand. Wer ist das, deine Frau? Marlies hielt sich an ihm, und er sagte nein. Nein, der Mann in unserem Haus, er hat wohl ein Problem, willst du mithören? Renz drückte zwei Tasten, er meldete sich, ein gedämpftes Ja, und aus dem winzigen Lautsprecher die Stimme des Mieters, eine Entschuldigung für die späte Störung, aber es gehe jemand ums Haus. Das sind nur Bananenblätter im Wind, sagte Renz und zog sein Bein an, der Schenkel eine Lehne für das Telefon. Der Wind? Es weht kein Wind, kam es zurück, und Renz tippte auf die Sprinkleranlage, die höre sich auch manchmal menschlich an. Die Sprinkleranlage, nein, die ist abgestellt. Hier schleicht einer herum, ich sage das, weil ab morgen das Haus unbewacht ist, ich werde durch Umbrien wandern, es hat mit der Arbeit zu tun. An unserer Vereinbarung ändert das nichts – zwei Monatsmieten, irgendwo gut versteckt, ist das in Ordnung?
Eine, das reicht, sagte Renz. Und wenn Sie von Verstecken reden: Im Haus gibt es eine Waffe. Wo sind Sie im Moment? Er beugte sich zum Telefon, in seinem Nacken, seinem Haar Marlies’ Hand – nur ein einziges Mal war bisher eingebrochen worden, als Katrins Kette weg war, aber die Zeiten hatten sich geändert, jetzt kamen sie von Bulgarien, Lampedusa, von überall. Unten im Wohnraum, sagte Bühl, und Renz beschrieb das Versteck: Neben dem Kamin in dem Buchregal, hinter Faulkners Schall und Wahn, ein alter belgischer Revolver, der meinem Vater gehört hat, er ist geladen. Hören Sie die Schritte noch? Renz beugte sich zu dem Telefon, als könnte er selbst etwas hören, und aus dem Lautsprecher tatsächlich Schritte, aber klackend auf den Fliesen, also im Wohnraum, ein nervöses Hin und Her, dagegen die Stimme des Mieters dann seltsam ruhig, wie von einer anderen, schon den Einbruch oder sonst etwas ermittelnden Person. Und was macht Frau Mattrainer, kommen Sie mit der Arbeit voran? Stille nach der Frage, keine Schritte mehr, und Renz nahm das Telefon wieder in die Hand, Frau Mattrainer ist ein Arbeitstier. Ich habe ihr von dem Franziskusstoff erzählt, von der Geschichte, an der Sie schreiben, Franz und Klara, das findet sie interessant, ein Stoff über einfaches Leben und Daseinssinn. Oder hätte ich das nicht erzählen sollen? Er sah zu Marlies, als wäre die Frage an sie gegangen, und Marlies sagte Doch, doch, zwei halblaute, entschlüpfte Worte, Renz konnte nur schnell hineinreden, es ging den Mieter nichts an, wer nachts bei ihm im Zimmer war. Was machen die Schritte, rief er, will da noch einer ins Haus? Wenn nicht, sollten Sie schlafen gehen. Und diesen Revolver vergessen. Und Ihre Miete, das Geld, es kommt bei uns jeden Sommer in ein anderes Buch, in dem Jahr Moby Dick, mein Versteck, im obersten Regal rechts vom Kamin. Und gut das Haus abschließen – hat meine Frau angerufen? Noch mehr entschlüpfte Worte, in die Stille des Zimmers wie in ein Vakuum. Nein, sagte der Mieter, danach nur noch Schlussformeln. Renz legte das Telefon weg und sah auf eine Hand um sein Geschlecht wie um ein kleines krankes Tier, die Finger hell, ihre Nägel farblos lackiert, und auf einmal die Idee oder das Bild pergamentener Finger, blutleer, mit weitergewachsenen Nägeln, darauf immer noch etwas farbloser Lack.
Und was macht Frau Mattrainer? Nur deshalb hatte Bühl mitten in der Nacht angerufen, um zu hören, wo sie war, was sie tat, was Renz und sie gemeinsam taten – kein Mensch ging ums Haus. Aber der Hausherr war nicht so gelassen, wie er sich gab, sonst hätte er keine Waffe. Oder hätte sie nicht erwähnt. Sie lag mit dem Griff nach vorn hinter dem genannten Buch, einem gemaserten Holzgriff, an seiner Unterseite eine Öse für ein Kettchen, um die Waffe am Mann zu befestigen, damit sie auch im Getümmel nicht verlorengeht. Kein Vorzeigestück, ein Gebrauchsgegenstand, der letzte verlässliche Teil einer Ausrüstung; nach ihr blieb nur noch das Messer, wie früher der Stein, der Knüppel, wenn alle Pfeile verschossen waren: in der Schlacht gegen Perugia, als Franz, vom Pferd gerissen, um ihn die Kameraden in ihrem Blut, mit allem, was er greifen konnte, auf die Gegner einschlug, bis ihn selbst etwas traf, er im roten Tibersand liegen blieb. Bühl berührte den Holzgriff, dann schloss er das Versteck wieder. Marlies Mattrainer, im Bett von Vilas Mann oder umgekehrt, er bei
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